Sie fressen immer mehr weg: Die größten Feinde von Sachsens Fischern
Neustadt in Sachsen - Mit Fischen und Bienen kann man nichts verdienen, sagt ein Spruch. Das stimmt nur halb. Immerhin: 197 sächsische Betriebe erzeugten 2017 über 2,2 Mio. Kilo Fisch. Einer davon ist die Ermisch Forellen- und Lachszucht in Neustadt.

Doch die Produktion stagniert. Wetter-Extreme, Kormoran und Preisdruck machen den Fischern den Garaus. Dabei ist viel Luft nach oben.
Das geräucherte Karpfenfilet geht Fischwirtschaftsmeister Gunther Ermisch (47) flott durch die Hand. Nach vier, fünf Schnitten garniert er die Fischplatte. Ein Kunde wartet schon vorm Hofladen.
Doch der Fischer lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Er liebt seinen Job. Das spüren die Leute.
"Fischer müssen viele Berufe können", sagt er. Lebensmittelkunde steht ebenso auf dem Stundenplan wie Elektrotechnik.
"Auch die Pumpen reparieren wir selbst." Wenn Fischerei-Chef Ermisch nicht in der Küche steht oder im Büro sitzt, wirft er Netze aus. 43 Teiche bewirtschaftet er. Einige davon sind 500 Jahre alt.
Sachsens Fischerei hat Tradition. In mehr als 80 Gaststätten und Hotels, vom "Bülowpalais" bis zum "Trompeter", stehen Ermischs Fische auf der Karte. Aal, Äsche, Saibling, Goldforelle, Karpfen: "Wir züchten über 30 Arten."

Das Familienunternehmen läuft; Vater und Mutter Ermisch unterstützen Sohn Gunther, wo sie können. Mit dessen Ämtern ließen sich Wände tapezieren:
Als Mitglied im Präsidium vom Landesfischereiverband und Vorsitzender vom Prüfungsausschuss der Fischwirtschaftsmeister hat er eine Mission. "Ich will den Berufsstand erhalten."
Einfach sei das nicht. "Die Fischerei steht mit dem Rücken zur Wand."
Die Produktion stagniert seit Jahren. Neben Fischotter und Graureiher bringt vor allem der Kormoran die Fischer in Bedrängnis. Auch Ermischs Teiche haben die Fischräuber jetzt entdeckt.
"Dieses Jahr waren sie das erste Mal da. Da waren wir alle überfordert." Schuld sei die extreme Witterung. Nach dem milden Winter gab es Ende Februar plötzlich Eis und Schnee. "Eigentlich beginnen wir Anfang März mit dem Abfischen."

Doch die etwa 20 Kormorane waren schneller.
Der schwarze Vogel erbeutete ein Viertel der 30 bis 500 Gramm schweren Satzfische. Mitunter dreimal so hoch sei der Schwund in der Lausitz, dem Hauptproduktionsort der Karpfenfischer. Schwärme mit bis zu 300 Kormoranen seien dort schon aufgetreten.
"Wir haben hier Eisvögel und den Roten Milan, sogar einen Seeadler", erzählt Ermisch. Er habe nichts dagegen, wenn sich die Vogelwelt an seinen Teichen bedient. Nur wenn es invasiv wird, sei der Spaß vorbei. "Der Jagdpächter ist beauftragt."
Außerhalb von Vogelschutzgebieten darf der Kormoran geschossen werden.
Allein im vergangenen Jahr fiel die Karpfen-Produktion mit über 1,6 Mio. Kilo um 16 Prozent. Schuld am Rückgang sei aber nicht nur der Kormoran. Auch das Lohndumping aus Osteuropa macht den Fischern zu schaffen. Wegen der niedrigeren Produktionskosten bieten tschechische und polnische Händler ihre Fische günstiger an. Zugleich hält sich die Nachfrage in Grenzen.
Vor allem Karpfen werde fast nur zu Silvester und Ostern gekauft. Deswegen rührt Fischer Ermisch jetzt die Werbetrommel für den "Fisch der Zukunft" - und setzt auf die Zusammenarbeit mit der Gastronomie. Gemeinsam mit Sternekoch Benjamin Biedlingmaier will er das Image des grätenreichen Fisches verbessern und die Vermarktung vor Ort ankurbeln.
"Von wegen schwabbeliges, muffiges Fleisch! Es gibt tolle Karpfen-Produkte", sagt er. So stehe das "grätengeschnittene Karpfenfilet" im Bad Schandauer Elbhotel ganzjährig auf der Speisekarte. "Die zerkleinerten Gräten merkt man kaum." Dazu gibt's Wein vom Elbhang. "Die ältere Generation liebt das ja."
Übrigens, der Karpfen-Anteil beträgt 74 Prozent an der Gesamtproduktion, gefolgt von Regenbogenforelle (6,7 Prozent), Afrikanischem Raubwels (6,2 Prozent), Schleie (2 Prozent) sowie Hecht, Zander, Saibling (unter 1 Prozent).
Typische Fische aus Sachsen

Der Gourmet-Fisch (Goldforelle)
Die Goldforelle wurde einst als Zierfisch gezüchtet. Auch die Gastronomie hat den Gourmet-Fisch jetzt für sich entdeckt.
Das gold-schimmernde, feste, grätenarme Fleisch kommt bei Feinschmeckern als Filet auf den Teller. Allerdings wächst die Goldforelle langsam, braucht etwa zwei Jahre, bevor sie 500 bis 1000 Gramm wiegt.
Ihre Schwester, die Regenbogenforelle, kann schon nach eineinhalb Jahren auf den Grill. Deswegen gehört letztere zu den meist verspeisten Fischen.

Der Brot-Fisch (Schleie)
Die reproduktionsfreudige, wohlschmeckende Schleie ist "nur" ein Beifisch in der Karpfen-Teichwirtschaft.
Lange galt sie als "Forelle des armen Mannes". Und fast geriet die Schleie in Vergessenheit.
Doch seit etwa zwei, drei Jahren avanciert sie neben Saibling, Zander und Stör zum Edelfisch, erlebt als Alternative zu Karpfen und Hecht gerade eine Renaissance.

Der Zukunftsfisch (Karpfen)
Der Karpfen ist der Fisch der Zukunft. Zumindest Greenpeace sieht das so.
Denn der Speisefisch entlastet die Weltmeere.
Andere Fischsorten in Aquakultur brauchen Fertigfutter, hergestellt aus dem Fischmehl von Meeresfischen.
Der Spiegelkarpfen begnügt sich mit Larven, Würmern und Insekten, braucht nur etwas Getreide als Zufutter.
Immerhin: Nach drei Jahren bringt der Speisefisch zweieinhalb Kilogramm auf die Waage.

Der Wanderfisch (Aal)
Seine Biologie umweht ein Geheimnis. Zumindest die Herkunft des sächsischen Aals ist gelöst.
Er stammt aus der Müritz. In Sachsens Teichen als Jungfisch ausgesetzt, verbringt er sein halbes Leben im Süßwasser, bevor er geräuchert wird.
Vorausgesetzt, der geschlechtsreife Aal schwimmt nicht längst seine 5000 Kilometer zur Sargassosee. Irgendwo in den Tiefen des Atlantiks südlich der Bermuda-Inseln laicht der Aal, bevor er stirbt.
Die Aallarven verwandeln sich über Glasaale in Jungaale, bevor sie auf ihrem dreijährigen Weg in die Flüsse ihrer Eltern zurückkehren.

Der Königsfisch (Lachs)
Der Lachs ist das Symbol für saubere, durchgängige Gewässer ohne Staustufen. Jahrhundertelang schwamm er die Elbe hoch und runter.
Doch Industrialisierung, Umweltverschmutzung und Überfischung setzten ihm zu. Um 1944 starb der Elblachs aus. 1994 startete das Wiederansiedlungsprojekt - erfolgreich.
Schon vier Jahre später kehrten die ersten Lachse zum Laichen zurück.
Anders als der Aal paart sich der Lachs im Süßwasser. Allerdings verbringt er die Zeit bis zur Geschlechtsreife im Salzwasser.
Deshalb wandert der etwa zweijährige Junglachs aus Sachsen über Elbe und Nordsee in den Atlantik bis nach Island.