Fliegt Dynamo-Aktivist Genschmar aus der FDP?
Dresden - Muss Dynamo-Aktivist Jens Genschmar (49) die Dresdner FDP verlassen? Wenn es nach zwei Dutzend Mitgliedern der lokalen Liberalen geht, ja. Doch die Sache hat nicht nur Freunde.
Der Antrag lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Unter der Überschrift "Klare Kante gegen nationalistische Tendenzen in der FDP Dresden" wird Genschmar zum Rückzug aus Partei und Stadtratsfraktion aufgefordert. Schauplatz für den Schlag ist der Kreisparteitag am Samstag.
Die insgesamt 27 Antragsteller werfen dem "Parteifreund" radikale Töne in Sozialen Medien bzw. deren Duldung und seine Haltung zum Islam vor. Einem, dem der Antrag überhaupt nicht gefällt, ist FDP-Landesvorsitzender Holger Zastrow (49).
"Das ist ein einmaliger Vorgang in der sächsischen FDP", sagt er vor Wut schnaubend. "Der absolute Tiefpunkt. Ich bin ehrlich schockiert. Das ist so falsch, so krude, was da drin steht."
Er erwarte am Samstag eine Distanzierung der Autoren und Unterzeichner von diesem "dummen Antrag".
"Wir sind eine liberale Partei. Liberal heißt Freiheit. Und für uns ist die Meinungsfreiheit ein hohes Gut. Die Genschmar-Gegner aber hätten "alte Social-Media-Einträge hochgeholt."
Doch Genschmar sei "einer der verdientesten, fleißigsten" FDP-Mitglieder. Dessen Rausschmiss aus der FDP-Stadtratsfraktion von Dresden komme gar nicht in Frage. Zastrow ist zugleich Fraktionschef. Im Übrigen sei das Ganze gar mein richtiger Ausschlussantrag, bestenfalls ein politischer. Ein "echter“ Ausschlussantrag gehöre vors Schiedsgericht der Partei.
Genschmar selbst sagt: "Ich werde meinen politischen Weg weiter gehen. Meine politische Heimat sehe ich weiter in der liberalen Familie."
Zu den einzelnen Vorwürfen an sich äußert er sich nicht, betonte jedoch: er akzeptiere andere Meinungen und Strömungen in der Partei.
Der Antragstext im Wortlaut:
"Klare Kante gegen nationalistische Tendenzen in der FDP Dresden
Der Kreisparteitag möge beschließen:
Herr Jens Genschmar wird aufgefordert, aus Partei und Fraktion auszutreten oder als Stadtrat zurückzutreten.
Begründung:
Als Liberale setzen wir uns für eine besonders weite Auslegung der Meinungsfreiheit ein, sie ist ein elementarer Bestandteil des liberal-demokratischen Rechtsstaates. Daraus folgt aber nicht, dass jede Meinung in einer liberalen Organisation toleriert oder gar verteidigt werden muss. Die Sozialen Medien sind dabei schon lange kein Nebenschauplatz mehr, sondern fester Bestandteil der politischen Öffentlichkeit und prägen die Meinung der Bürger entscheidend mit. Funktions- und Mandatsträger tragen daher eine besondere Verantwortung für ihre Äußerungen und die Diskussionen, die sie auf diesen Plattformen auslösen.
Jens Genschmar nutzt die sozialen Medien aktiv zur politischen Themensetzung und zum Austausch mit seinen Unterstützern. Seit drei Jahren nehmen wir seine Äußerungen bei Facebook mit zunehmender Verärgerung zur Kenntnis. In seinen Beiträgen verbreitete er wiederholt rechtsradikale Mythen von einem "System", das in Deutschland herrsche.
Er bezeichnete politische Mitbewerber als "Scheindemokraten" (Kasek) oder "Schädlinge" (Höcke) und unterstellte sogar einem Bundesminister, dieser hätte den Schießbefehl an der Mauer gerechtfertigt (Maas). Wer den politischen Diskurs so verroht, macht ihn letztlich unmöglich. Als Demokraten achten wir andere Politiker wie jede andere Person, unabhängig ihrer Meinung.
Besonders abschätzig äußerte sich Herr Genschmar über den Islam und 1 muslimische Gläubige. So schrieb er jüngst im Dezember 2017: "Hat natürlich auch nichts mit der "friedliebenden" Religion des Islam zu tun. Nein ich möchte diese Terroristen und dazu werden die Mehrzahl dieser Menschen aus meiner Sicht erzogen, in unserem Land haben." [sic!]
Damit unterstellt Jens Genschmar Millionen von muslimischen Familien, sie würden ihre Kinder wissentlich und willentlich zu verbrecherischen Mördern erziehen. Derartiger Rassismus widerspricht diametral unserem liberalen Menschenbild, rückt die FDP in ein fragwürdiges Licht und sorgt zudem regelmäßig dafür, sich als Parteifreund von Herrn Genschmar erklären zu müssen.
Wo Herr Genschmar selbst nur den Funken zündet, gießen seine Anhänger oft das Öl nach. Den rechtsextremen Äußerungen, Schmähungen und Gewaltfantasien widerspricht er dabei in aller Regel nicht. Anstatt den politischen Dialog als gewählter Stadtrat zu moderieren und mit Fakten zu unterstützen, geraten die Kommentarspalten unter seinen Facebook-Beiträgen zu rechten Durchlauferhitzern.
Als Stadtrat hat er auf seiner öffentlichen Facebook-Seite über die letzten Jahre systematisch ein Milieu nicht nur toleriert, sondern aktiv kultiviert, das zu großen Teilen unvereinbar mit den liberalen Werten der Dresdner FDP ist. Unwidersprochen blieben die Rede von "Drecks Juden" oder "Geburten-Djihad" und Forderungen wie "Prügelt das Pack aus Deutschland und bis in die Türkei". Liberalismus bedeutet für uns Verantwortung, die Herr Genschmar seit Jahren nicht übernimmt. Die FDP Dresden muss ihren Teil zur Normalisierung des politischen Klimas der Stadt beitragen und darf nicht dulden, dass es weiter angeheizt wird.
Außerdem ist uns vollkommen unbegreiflich, warum er es unwidersprochen zuließ, dass ihn Ingolf Knajder im April 2015 bei Facebook zu einer "Bürgerwehrgruppe" hinzufügte. Über den Zweck dieser Gruppe schrieb Herr Knajder im Januar 2016: "Es hilft einfach nur noch Selbstjustiz und eine starke Antwort !!! Diese Menschen mit ihrem Steinzeitdenken und Steinzeitverhalten haben keine andere Sprache als Gewalt verdient und verstehen auch keine andere Sprache. […] denen müssen wir uns mit gleicher Gewalt und Brutalität entgegenstellen und Sie aus unserer Gesellschaft entfernen, auf nimmer widersehen und zwar jetzt und nicht irgendwann. […]
Wer nicht will, das es mit unserer Stadt weiter bergab geht,der kann sich gern meiner Bürgerwehr anschließen. Ich fordere jeden egal ob Frau oder Mann auf, sich mir und meiner Bürgerwehr anzuschließen" [sic!]. Seit Juli 2016 arbeiten Jens Genschmar und Ingolf Knajder als Gründungs- und Vorstandsmitglieder des Vereins "Dresdner Bürger helfen Obdachlosen und Bedürftigen e.V." zusammen. Als im November 2016 bekannt wurde, dass Herr Knajder dem damaligen Chef der Dresdner Tafel, Andreas Schönherr, wiederholt den Tod gewünscht habe, rügte FDP-Kreisvorsitzender Holger Hase dies als „schäbig“ und kritisierte Jens Genschmars Zusammenarbeit mit ihm.
Herr Genschmar beendete noch am selben Tag die Zusammenarbeit im Kreisvorstand der FDP Dresden. Seine Zusammenarbeit mit Herrn Knajder im Verein besteht hingegen bis heute fort. Auch diese Entscheidung ist uns ein klarer Fingerzeig seiner eigentlichen Loyalitäten. Diese inneren Widersprüche würden uns und Jens Genschmar im Wahljahr 2019 umgehend wieder einholen.
Herr Genschmar teilt weder unsere Werte noch unsere Ziele oder unseren politischen Stil. Eine politische Zusammenarbeit schließen wir daher in Zukunft aus.
Weitere Begründung: erfolgt mündlich"