Kretschmer bittet um Hilfe: Sachsens Ex-Minister Eggert soll's richten!

Dresden - Rumms - da ist er wieder! Heinz "Heiner" Eggert (72), Ex-Innenminister, Ex-CDU-Bundesvize, seit neun Jahren nicht mehr im Landtag und doch nie ganz von der Bildfläche verschwunden, soll jetzt für Ministerpräsident Michael Kretschmer (43) Runde Tische organisieren.

Heinz "Heiner" Eggert (72).
Heinz "Heiner" Eggert (72).  © Eric Münch

Im Klartext: Eggert soll mithelfen, die verfahrene politische Karre aus dem Dreck zu ziehen. Ortstermin mit einem immer noch ganz schön "bunten Hund".

Käffchen im Freien, Dresdner Neustadt. Weilt Eggert mal nicht im heimischen Oybin, Sachsens hinterstem Winkel, trifft man ihn oft im Szene-Kiez der Landeshauptstadt. Nah dran am Leben. Jetzt noch mehr. Doch wie eigentlich kam Kretschmer auf ihn?

"Wir kennen uns schon lange, ich war Innenminister, als er in die Politik einstieg", erklärt Eggert, dessen modisches Schlabberhemd - wohl gewollt - nicht recht zum Alter in seinem Ausweis passen will. "Am Abend seines Chemnitzer Sachsengesprächs rief der Ministerpräsident mich an", sagt Eggert.

Für den Gang in "die Höhle des Löwen" habe er dem MP, ein Lausitzer wie er selbst, Respekt gezollt. Als der ihn bat, zusammen mit drei "Mitstreitern" künftig Gesprächsformate mit Bürgern zu organisieren, ließ Polit-Haudegen Eggert sich nicht lange bitten.

Eggert ein Volkstribun?

Konzert gegen Rechts in Chemnitz: #wirsindmehr.
Konzert gegen Rechts in Chemnitz: #wirsindmehr.  © dpa/Sebastian Willnow

Klar, die Aufgabe passt: "Ich erlebe immer, dass völlig fremde Menschen mir erzählen, was sie machen, worunter sie leiden", sagt Eggert, der einst Pfarrer und Bürgerrechtler war, irgendwann mal TV-Moderator, und der auch jetzt ständig von Passanten erkannt und gegrüßt wird.

Ein Volkstribun? Irgendwie schon. Den Wütenden und Besorgten nach dem Mund reden, das will er nicht. Zuhören und in der Sache streiten, das schon.

Natürlich weiß auch Eggert, dass seine politische Heimat, die Sachsen-CDU, Fehler gemacht hat. "Wenn sich im Volk so viel angestaut hat, weil das Ventil verstopft ist und man es politisch nicht öffnen will, dann darf man sich über bestimmte politische Entwicklungen nicht wundern", sagt er.

Dass Kretschmer jetzt die Flucht nach vorn antritt, Gespräche auch dort sucht, wo es weh tut, sei aber der richtige Weg. Und bald eben auch seiner.

Ein Wanken der Fundamente

Die Fronten der politischen Lager scheinen immer mehr zu verhärten.
Die Fronten der politischen Lager scheinen immer mehr zu verhärten.  © dpa/Sebastian Willnow

Kneipengänger Eggert hatte das Ohr schon immer ein bisschen näher an der Basis als andere. Woher die Unzufriedenheit in weiten Teilen der Öffentlichkeit kommt, glaubt er zu wissen. Angst vor Abstieg etwa, Altersarmut, Landflucht?

"All das hat auch mal eine Rolle gespielt", sagt er, sei aber nicht das Entscheidende. "Ich glaube, dass wir ab 2015 ein Wanken der Fundamente in Deutschland haben", sagt Eggert betont nachdenklich.

"Gar nicht mal nur, weil so viele Flüchtlinge gekommen sind. Sondern weil der Staat seine Unfähigkeit gezeigt hat, den Rechtsstaat durchzusetzen und unkontrolliert Leute angekommen sind, die eventuell - nicht nur für die Deutschen, sondern auch für Flüchtlinge - zur Bedrohung werden."

Das sei das, was die Menschen derzeit am meisten beunruhige. Eggert: "Mir erzählen Krankenschwestern, dass sie nicht mehr durch einen Park gehen, weil sie ständig dumm angemacht werden. Wenn der Staat hier nicht durchgreift, wird die Angst der Menschen nicht verschwinden."

Schon als Innenminister habe er gelernt: Die beste Kriminalstatistik nützt nichts, wenn es ein Unsicherheitsgefühl in der Bevölkerung gibt. Also müsse jetzt eine Doppelstrategie her: "Einerseits rechte Straftäter unter ständigen Verfolgungsdruck setzen, andererseits kriminelle Asylbewerber hinter Gitter bringen oder abschieben."

Kritik an allen Parteien

Mit Kerzen wurde des verstorbenen Chemnitzers gedacht.
Mit Kerzen wurde des verstorbenen Chemnitzers gedacht.  © dpa/Jan Woitas

Zumindest Letzteres dürfte auch bei AfD-Fans gut ankommen, doch Eggert hält von dieser Partei nicht viel. "Wer das Problem nur auf die Ausländer zuspitzt, der irrt. Ich habe von der AfD noch keine Überlegungen zur Renten-, Hochschul- und anderen wichtigen Fragen gehört. Da ist nicht viel gewachsen", glaubt er.

DDR-Nostalgikern hält er entgegen, dass damals längst nicht alles Gold war, was im Rückblick scheinbar so glänzt. "Meine Mutter hat ihr Leben lang schwer gearbeitet, dafür später ganze 360 Ostmark Rente gehabt - nur mal zur Erinnerung." Im nächsten Atemzug übt er auch an den demokratischen Parteien Kritik.

Wenn man, wie einzelne Abgeordnete das wohl in der letzten Bundestagsdebatte taten, "halb Chemnitz als Nazi-Gang" bezeichne oder die Rechtsstaatlichkeit der sächsischen Polizei hinterfrage, dann sei das "eine ungeheure Zumutung, gelogen und überhöht - und nicht so fern von der Sprache der Rechten".

Wer sind Eggerts Mitstreiter?

Eggert im November 1991 als frischgebackener Innenminister.
Eggert im November 1991 als frischgebackener Innenminister.  © picture-alliance/Thomas Lehmann

Ein Gast am Nebentisch steht auf, zahlt und ruft Eggert im Gehen noch "Ganz meine Meinung!" zu. Eggert lacht: "Ich weiß, ich rede wohl zu laut..." Aber viele wollen ihn hören.

Am Donnerstag hat Eggert sich mit den drei Mit-Organisatoren* der neuen "Runden Tische" besprochen, über deren genaues Format diskutiert. Nächste Woche will man erste Überlegungen in der Staatskanzlei vorstellen.

Doch so viel verrät der Polit-Rückkehrer schon jetzt: "Wir wollen der folgenlosen und manchmal unverantwortlichen Geschwätzigkeit verantwortliche Gespräche entgegensetzen." Und das ohne parteipolitisches Kalkül und über die nächste Landtagswahl hinaus.

* Die Mitstreiter sind: Sebastian Reißig, Leiter der Pirnaer Aktion Zivilcourage; Bernd Stracke, Ex-Punkmusiker und Leiter des Beratungsinstituts „B3“; Astrid Lorenz, Politikwissenschaftlerin aus Leipzig.

Eine Biografie mit Ecken und Kanten

Heinz Eggert.
Heinz Eggert.  © Eric Münch

Heinz Eggert kam 1946 in Rostock zu Welt, lernte dort zunächst bei der Reichsbahn, um dann evangelische Theologie zu studieren.

Bis 1990 war er Pfarrer in Oybin, wo er Anlaufpunkt für viele DDR-Kritiker wurde.

Nach der Wende wurde Eggert zunächst parteiloser Landrat im Kreis Zittau, bevor er im Oktober 1990 in die CDU eintrat, 1991 Innenminister wurde (bis 1995).

Bei der Landtagswahl 1994 holte er sein Direktmandat mit 65 Prozent der Stimmen.

2009 schied Eggert aus dem Landtag aus, indem er nicht wieder kandidierte.

Ehrenamtlich engagiert er sich als Sterbebegleiter in einem Hospiz.