Filmcrew verwandelt Dresdner Fabrik in das KZ Auschwitz
Von Rita Seyfert
Dresden - Und Action! Für die achtteilige Drama-Serie "Der Krieg und ich" auf dem ehemaligen Werftgelände in Dresden-Übigau fiel diese Woche die letzte Klappe.
Nach 20 Drehtagen an verschiedenen Drehorten in Sachsen gehen die Filmaufnahmen jetzt in den Schnitt. Ausgestrahlt werden die 25-minütigen Episoden über Kinderschicksale im Zweiten Weltkrieg ab 2018 auf dem Kinderkanal "KiKa".
Haare, überall auf dem Boden verstreut, und in der Ecke türmt sich ein Kleiderberg. "Ihr werdet dieses Lager sowieso nie wieder verlassen!" Evas (Natalie Vagnerova, 15) Miene erstarrt. Die Aufseherin (Monika Oschek, 30) in der grünen Uniform schreitet langsam auf sie zu.
"Warum bist Du noch nicht ausgezogen!", herrscht sie das Mädchen mit dem dicken, geflochtenen Zopf an. "Der Mantel ist viel zu schön für eine widerliche Jüdin wie dich!" Genüsslich tippt sie mit ihrer Reitgerte auf Evas Kragen. Andere sollen ihre Sachen bekommen. Eine Nummer soll ab sofort ihr Name sein.
Probenpause. Schauspielerin Monika Oschek greift nach Natalies Hand. "Es ist nur eine Rolle", sagt sie. Die junge Tschechin nickt. Beide lächeln.
Für ihren Charakter als KZ-Wache muss sich die Darstellerin mit ihrem Biest verbinden, sagt sie. Ein Spagat auf Messers Schneide. Ihr Job verlangt, dass sie ihre sadistische Darbietung genießt.
Doch wie kann man das Bestialische als liebevoller Menschen zu sich holen? "Eine fiese Aufseherin hatte vielleicht auch Familie, Kinder und einen Mann, den sie liebte", erklärt sie.
Die Themen Krieg, Vertreibung und Verletzung der Menschenwürde seien aktueller denn je. So kurz nach der Wahl zeige sich, dass eine rechte Gesinnung auch heute immer noch da ist.
Ein paar Meter weiter hat Regisseur Matthias Zirzow die Filmszene auf dem Bildschirm verfolgt. Ganz zufrieden ist er noch nicht.
Evas Gesichtsausdruck ist ihm noch zu traurig. Statt niedergedrückt soll sie eher ärgerlich und verwirrt schauen. Schließlich hat sie eine Mission.
Für den achten Teil unter dem Titel "Hoffnung“ drehte die 40-köpfige Filmcrew am Donnerstag in der Fabrikhalle des Stahlbauunternehmens Müller Baumaschinen-Ausrüstung.
Sonst werden hier Baggerlöffel hergestellt. Jetzt ist die Architektur von 1886 die Kulisse für die einst größte Todesfabrik der Nazis. Das Drehbuch ist harte Kost.
Waisenkind Eva kommt in Auschwitz an. Dort trifft sie Renata (Katerina Coufalova, 19), ihre Freundin, mit der sie im Kinderchor Theresienstadt spielte. Die Sopranistin wurde vor ihr deportiert, ist nun dem Tode nah.
Über die Musik versucht Eva, Renata am Leben zu erhalten. "Wir mussten einen Weg finden, wie wir die Schauspieler mit positiven Gedanken durch die Szenen schicken", sagt der Regisseur, den am Set alle Matti nennen.
Das Grauen des Krieges musste kindgerecht aufbereitet werden, damit die jungen Zuschauer später zu Hause vor den Flimmerkisten nicht traumatisiert werden.
Es geht weiter. "Ruhe bitte!", bringt Setaufnahmeleiterin Dagmar das Stimmenwirrwarr zum Schweigen. Die Kamera läuft.
Während Eva ihren Mantel aufknöpft, schaltet Komparsin Christina Zucher die Schermaschine an. "Capo" steht auf ihrer Kutte. Als "Häftling mit Verantwortung" muss sie Neuankömmlingen die Schädel rasieren.
Auf einem Holzschemel vor ihr sitzt Komparsin Hannah Kanera (18). Tiefe Furchen legen sich über ihre Stirn, und ihr Blick folgt dem Surren auf ihrem Kopf. Ob sie sich das wirklich ganz genau überlegt hat, fragte ihre Mutter sie noch am Morgen.
"Mama, nein, da denke ich jetzt nicht mehr drüber nach", antwortete sie.
Nun ist es zu spät. Strähne für Strähne fällt herab. Matt aschgrau schimmern die goldblonden Locken, Maskenbildnerin Anke Saboundjian (43) hat sie zuvor mit Schaum getönt. Cut! So viel Mut verdient einen Applaus. Die Filmcrew klatscht.
Die 22 Kinderschauspieler aus Deutschland, Norwegen, Frankreich, Schottland, Polen, Russland und Tschechien stellten Regisseur Matthias Zirzow vor eine Herausforderung.
"Einige standen das erste Mal vor der Kamera, mit viel Text und langen Sprechrollen", erzählt er. Hinzu kam, dass die Kinderdrehzeiten fünf Stunden pro Tag nicht überschreiten durften.
Das schnelle Arbeiten sei den jungen Darstellern aber entgegengekommen. "Kinder verstehen schnell, worum es geht", berichtet er. Genauso schnell, wie die jungen Akteure zur Höchstform auflaufen, würden sie aber auch ermüden.
Daher waren ständig zwei Kameras im Einsatz, um mehr Einstellungen zu haben.
Titelfoto: Eric Münch