Dresdner Top-Diplomat Andreas Peschke: "Meine früheren Posten trage ich im Herzen"
Dresden/Berlin - Die Biografie des Dresdner Diplomaten Andreas Peschke (50) liest sich beeindruckend: Sprecher des Auswärtigen Amtes (AA), Botschafter in Kenia und Beauftragter für Osteuropa, den Kaukasus und Zentralasien. Und jetzt Leiter der Europaabteilung des AA.
Wir sprachen mit dem sympathischen Wahl-Berliner über seinen neuen Posten und die bald beginnende deutsche EU-Ratspräsidentschaft, deren Vorbereitung in seinen Händen liegt.
TAG24: Herr Peschke, erst Botschafter in Kenia, dann Osteuropa-Beauftragter, jetzt Leiter der Europaabteilung: Wie meistern Sie die ständigen Wechsel?
Andreas Peschke: Meistens haben wir mehrere Spezialisierungen. Ich habe viel Afrika, Osteuropa und EU gemacht.
TAG24: Ist es nicht schwierig, immer wieder die Sachen zu packen und neu anzufangen?
Peschke: Ich trage meine früheren Posten sehr im Herzen. Ich beschäftige mich in meiner Freizeit zum Beispiel noch viel mit afrikanischen Angelegenheiten, wie Kenia und der Swahili-Sprache. Aber genauso mit Osteuropa. Da gibt es immer auch Bezüge zu meiner jetzigen Arbeit.
TAG24: Hätten Sie Lust, nach Afrika zurückzukehren?
Peschke: Ich hätte auf jeden Fall nichts dagegen.
TAG24: Als Osteuropa-Beauftragter waren Sie viel unterwegs. Wie ist das jetzt?
Peschke: Früher bin ich oft nach Kiew, Moskau oder Minsk gereist. Jetzt bin ich sehr oft in Brüssel und in europäischen Hauptstädten wie Paris, Rom oder Warschau. Erst neulich bin ich auf dem Weg nach Prag über Dresden gefahren. Das ist immer sehr schön.
Aufgaben der Europaabteilung
TAG24: Klingt, als ob Sie Dresden vermissen?
Peschke: Ich würde natürlich auch gern in Dresden wohnen. Aber das ist ein bisschen weit weg. Da müsste ich jeden Tag zwei bis drei Stunden mit dem Flixbus oder Zug fahren.
TAG24: Was sind die Aufgaben Ihrer Europaabteilung?
Peschke: Die Europaabteilung kümmert sich um die Koordinierung der deutschen Europapolitik. Wir bestimmen die deutschen Interessen und überlegen, wie wir sie in Brüssel an welcher Stelle in den Verhandlungen einbringen.
TAG24: Sie organisieren auch den Wechsel der EU-Ratspräsidentschaft von Kroatien auf Deutschland am 1. Juli. Wie geht das vonstatten?
Peschke: Es ist tatsächlich so, dass am 30. Juni ein symbolischer Staffelstab übergeben wird.
TAG24: Die deutsche Präsidentschaft braucht sicher viel Vorbereitung.
Peschke: Eine ganz erhebliche Vorbereitung! Man muss sich das so vorstellen, dass sich im Europäischen Rat die Mitgliedsstaaten regelmäßig treffen. Insgesamt sind das weit über 100 verschiedene Arbeitsgruppen. Da müssen wir überlegen: Was wird besprochen und welche Ziele wollen wir erreichen? Und dann muss das organisiert werden. Wann finden welche Sitzungen statt und wo? Wir haben uns für eine stark regionale Ausrichtung unserer Präsidentschaft entschieden. Es wird über ganz Deutschland verteilt EU-Sitzungen geben. Im September tagen die Justizminister zum Beispiel in Dresden.
Draht nach Kroatien und große Probleme
TAG24: Dann haben Sie wohl einen heißen Draht nach Kroatien?
Peschke: Oh ja, fast jeden Tag. Ich sage meinen Kollegen in Kroatien immer: "Ich wünsche mir, dass ihr so viel wie möglich jetzt löst. Dann müssen wir das nicht in deutscher Präsidentschaft machen." Das ist natürlich ein bisschen scherzhaft. Aber in der Tat arbeiten wir an denselben Themen. Da muss es einen engen Schulterschluss geben.
TAG24: Wenn Kroatien Mist baut, müssen wir das also ausbaden?
Peschke: Da haben Sie theoretisch recht. Aber wir hoffen und glauben, dass die Kroaten das gut machen. Genauso wie die Portugiesen, die nach uns kommen, natürlich hoffen dass wir das alles ordentlich machen.
TAG24: Was sind die drängendsten Probleme, die es während der deutschen Präsidentschaft zu lösen gilt?
Peschke: Eine ganz wichtige Frage sind die Verhandlungen mit Großbritannien wegen des Brexits. Wir haben bis Ende 2020 Zeit. Dann läuft die Übergangsregelung aus und die britische Regierung hat klar gestellt, dass sie nicht noch einmal verlängern möchte. Bis dahin müssen wir also unsere künftigen Beziehungen neu verhandeln.
Agenda und Brexit
TAG24: Wenn das nicht klappt?
Peschke: Wir sind zuversichtlich, dass es in vielen Bereichen gelingen kann. Wo es nicht gelingen sollte, müssen wir uns über Notfallmaßnahmen Gedanken machen.
TAG24: Was steht noch auf der Agenda?
Peschke: Zweites Thema sind die EU-Finanzen. Wir müssen sicherstellen, dass die Finanzplanung für die nächsten sieben Jahre, also für 2021 bis 2027, ab 1.1.2021 in Kraft treten kann.
TAG24: Da muss dann auch die Lücke von 75 Milliarden Euro gefüllt werden, die der Brexit hinterlässt?
Peschke: Unsere Experten nennen das die "Brexit-Lücke". Wir müssen sehen, wo wir sparen können. Zum anderen heißt das, dass die verbleibenden Mitgliedsstaaten mehr Geld einzahlen müssen. Das wird auch uns betreffen.
TAG24: Das wird vielen Menschen hierzulande nicht schmecken.
Peschke: Natürlich freut sich niemand, wenn man mehr Geld für etwas ausgeben muss. Aber gerade wir in Deutschland haben großen Nutzen von der EU. Wir profitieren von den Beziehungen zu unseren Nachbarländern und davon, dass wir uns frei bewegen können, kein Geld tauschen müssen, unsere Unternehmen überall leicht produzieren und in die Länder exportieren können.
Klimaschutz, Flüchtlinge und Ursula von der Leyen
TAG24: Was muss Deutschland noch auf den Weg bringen?
Peschke: Was wir uns selber vorgenommen haben, ist das Verhältnis der EU zu China zu verbessern. Da wollen wir im September ein großes Treffen stattfinden lassen in Leipzig, wo sich alle Staats- und Regierungschefs der EU, angeführt von der Bundeskanzlerin, mit dem chinesischen Präsidenten treffen.
TAG24: War's das?
Peschke: Es gibt noch zwei Themen, die die Menschen bewegen. Eines ist der Klimaschutz. Wir als EU haben das Gefühl, wenn wir uns nicht um Klimaschutz kümmern, macht es gar keiner mehr. Deswegen wollen wir die Klimaneutralität bis 2050 beschließen. Und als letztes Thema möchte ich die Migrationspolitik erwähnen. Da haben wir einiges geschafft, aber es gibt auch viele Dinge, die wir jetzt anpacken müssen.
TAG24: Bei uns kommen weniger Flüchtlinge an, das stimmt. Aber in den Grenzländern scheint die Lage prekär.
Peschke: Deswegen glaube ich, dass wir die Migration kontrollieren und die europäischen Außengrenzen noch besser schützen müssen. Dass in den Ländern, aus denen Flüchtlinge kommen, die Lebensumstände verbessert werden. Und man muss einen vernünftigen Mechanismus finden, wie man diese Herausforderung gerecht auf alle Schultern in Europa verteilt.
TAG24: Wird es für unsere EU-Ratspräsidentschaft von Vorteil sein, dass die EU-Kommissionspräsidentin eine Deutsche ist?
Peschke: Natürlich vertritt Frau von der Leyen in ihrem neuen Amt vor allem europäische Interessen. Aber es ist sicher kein Nachteil für uns, dass sie jetzt an der Spitze der Kommission steht.