Experten warnen vor Diätpillen: Sie sind das neue Kokain!
Mainz - Es klingt verlockend: Ohne Verzicht auf leckeres Essen und Sport in Rekordzeit ein paar Kilo loswerden! Das versprechen Diätpillen aus dem Internet. Die Schlankmacher sollen Pfunde wie von selbst verschwinden lassen - sogar ohne Jojo-Effekt.
Klingt unseriös? Ist es in den meisten Fällen auch! Denn die Wunderpillen können Verbrauchern gesundheitlich erheblich schaden - und sogar lebensgefährlich werden.
Darüber hat das ZDF-Magazin "Frontal 21" in seiner Sendung am Dienstag berichtet (Video unten). Die Redaktion bestellte mehrere Schlankheits-Präparate im Internet und ließ sie im Labor untersuchen. Eine Stichprobe ergab: mindestens die Hälfte enthält riskante Substanzen.
Geschädigte kommen zu Wort. Da ist Tanja B. Die junge Frau hat nach der Geburt ihres Kindes ein paar Kilo zugelegt, die möchte sie schnell wieder loswerden.
Als sie von dem pflanzlichen Nahrungsergänzungsmittel "Lida" hört, bestellt sie es. Über mehrere Wochen nimmt sie die Pillen jeden Tag. Nach zwei Monaten bekommt sie Herz-Rhythmus-Störungen. Gerade noch rechtzeitig setzt sie die Diätpillen ab.
Auch Marco M. hat Übergewicht. Diätpillen sollen das ändern. Er hört von dem angeblich besonders wirksamen Präparat "DNP", das die Fettverbrennung verstärken soll.
In Wahrheit enthalten die Tabletten hochgiftiges Dinitrophenol, DNP genannt.
"Ich habe nur noch geschwitzt." Nachts kann Marco M. nicht mehr schlafen. Fast wäre er gestorben, weil seine Körpertemperatur lebensbedrohlich anstieg.
Der Arzneimittelexperte Wolfgang Becker-Brüser warnt vor Diätpillen aus dem Internet. Was die Hersteller genau reinmischen, wisse am Ende niemand. "Die Hersteller, die Nahrungsergänzungsmittel so panschen, sind Kriminelle. Sie nehmen in Kauf, dass Menschen geschädigt werden."
Frontal 21 hat insgesamt sechs Präparate bestellt. Darunter die am meisten gekauften "Lida" und "Botanical Slimming". Im Zentrallaboratorium Deutsche Apotheker werden sie analysiert.
"Das Ergebnis ist erschreckend", sagt Labor-Mitarbeiterin Prof. Mona Tawab. So wird in den Präparaten unter anderem Fluoxetin gefunden.
Der gegen Depressionen eingesetzte Arzneistoff wird in den Pillen in großen Mengen nachgewiesen. Deklariert ist er nicht. Wegen der Nebenwirkungen wie Atemnot, Panikattacken und Suizidgedanken aber rezeptpflichtig.
"Der Verbraucher wird hier ganz klar getäuscht", sagt Tawab. Dem ahnungslosen Verbraucher würde ein harmloses Medikament vorgekaukelt.
Dabei werden ihm schädliche Wirkstoffe untergeschoben.
Lifestyle-Medikamente wie "Lida" und "Botanical Slimming" werden wöchentlich am Frankfurter Flughafen sichergestellt. Am Hauptzollamt Darmstadt wird die beschlagnahmte Ware gesammelt und in einer Müllverbrennungsanlage vernichtet.
Doch die Mengen, die gefunden werden, seien nur ein Bruchteil des illegalen Geschäfts. "Arzneimittel sind das neue Kokain", sagt Prof. Arndt Sinn, Strafrechtler an der Universität Osnabrück.
Heute lasse sich mit gefälschten Arzneimitteln ein unglaublicher Profit erwirtschaften. Die Produktionskosten einer kleinen Kapsel liegen im Centbereich. Für eine 30er-Packung zahle der Konsument locker zwischen "35 und 50 Euro", weiß Ruth Haliti vom Zollkriminalamt Köln.
Dazu komme der niedrige Verfolgungsdruck und Strafen, die milder sind als bei Drogenfunden.
Geschädigte hätten letztendlich keine Chance, die Anbieter im Falle eines Schadens zu belangen. Webadressen können verschwinden, ebenso Firmennamen von Briefkästen. Kriminelle sind schnell.
2015 starb die Britin Eloise Parry mit 21 Jahren qualvoll an den Nebenwirkungen von "DNP". Sie wusste nicht, wie gefährlich die Pillen sind. Ebenso ahnungslos war die 23-jährige Studentin Sarah Houston, als sie das Mittel schluckte und nicht überlebte.
Hier der gesamte Frontal21-Beitrag:
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