Tierärztin gibt Job auf und wird Hutverkäuferin

Chemnitz - Ein Neustart mitten im Leben, keine zehn Jahre vor der Rente? Viele träumen davon. Wirklich wagen tun es am Ende die wenigsten. Eine, die es durchgezogen hat, ist die Chemnitzerin Kathrin Steinert (57). Jahrzehntelang verdiente sie ihre Brötchen als Tierärztin. Heute betreibt sie einen Hutladen - und fühlt sich pudelwohl damit.

Sie mag, was sie tut: Kathrin Steinert (57) ist seit wenigen Wochen Hutverkäuferin mit Leib und Seele.
Sie mag, was sie tut: Kathrin Steinert (57) ist seit wenigen Wochen Hutverkäuferin mit Leib und Seele.  © Kristin Schmidt

Am 1. Oktober übernahm die Umsteigerin das alteingesessene Geschäft "Hut-Förster" auf der Reitbahnstraße 23, gleich am Zentrum. "Seit 1912 gibt es den Laden, seit 1997 an dieser Ecke", weiß Kathrin Steinert, die den etablierten Namen des Geschäfts beibehalten möchte. Schließlich ist der den Chemnitzern ein Begriff.

Steinert: "Zu DDR-Zeiten wurde hier auch produziert, es gab eine eigene Werkstatt, elf Angestellte." Sie selbst hatte sich seinerzeit vom ersten Lehrlingsgeld bei Hut-Förster eine Baskenmütze gekauft. Später, während des Studiums und als Berufstätige, kam sie regelmäßig als Kundin wieder. Hüte, so hatte sie es als Kind schon von ihrer Oma gelernt, gehören einfach zur Garderobe.

Katrin Steinert kannte also den Laden, als sie vor knapp zwei Jahren hörte, dass ein neuer Besitzer gesucht wird.

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Sie sprach mit der damaligen Chefin, offenbar spann man den gleichen Faden. Schließlich einigte man sich.

Karin Steinert über ihre Zeit als Tierärztin: "Mir starben die Freunde weg"

Als "Hut-Förster" bleibt das eingesessene Fachgeschäft an der Reitbahnstraße erhalten.
Als "Hut-Förster" bleibt das eingesessene Fachgeschäft an der Reitbahnstraße erhalten.  © Kristin Schmidt

Doch warum gibt man den Tierarztberuf auf? Hatte sie etwa gehadert mit dem lieben Vieh?

Kathrin Steinert muss nicht lange nach einer Antwort suchen. "Überhaupt nicht. Tierarzt war mein Traumberuf, ja, und er blieb es auch 30 Jahre lang."

Und trotzdem - immer war die Zeit knapp, musste die Chemnitzerin Labore in ganz Deutschland abklappern, denn wirklich mit Tieren arbeitete sie kaum.

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Kathrin Steinert: "Im zweiten Studienjahr hatte ich mein erstes Kind bekommen. Und mein Sohn war allergisch gegen Tierhaare." Klingt wie ein saublöder, dummer Zufall. Und irgendwie auch tragisch. Denn fortan konnte die Ehefrau und Mutter nicht als niedergelassene Veterinärin arbeiten, sondern war in der Diagnostik tätig. Damit deutschlandweit auf Achse, viel weg, oft gehetzt. Und: "Mir starben die Freunde weg."

Zeit und Ortsnähe bekamen einen ganz neuen Stellenwert. Ein eigener Unfall regte zusätzlich zum Nachdenken an. Und so fiel die Entscheidung für die Hüte am Ende ganz leicht.

Wer Kathrin Steinert beim Gespräch mit Kunden beobachtet will kaum glauben, dass sie in diesem Metier noch Anfängerin ist. Sie berät versiert und kenntnisreich wie ein alter Hase, schwatzt nicht einfach irgendetwas auf. Klar, sie ist ja auch gekommen, um zu bleiben, bis zur Rente mindestens.

"Das Wichtigste ist doch, dass wir glücklich sind", sagt die promovierte Chemnitzerin, und meint damit nicht nur sich, sondern auch die Familie und die Kunden. Jedem im Job Unzufriedenen rät sie, "über eine Veränderung zumindest ernsthaft nachzudenken". Für das Glück und die berufliche Erfüllung ist es schließlich nie zu spät.

10.000 Produkte hat Kathrin Steinert in Laden und Lager: Mützen, Hüte, Bänder und Accessoires.
10.000 Produkte hat Kathrin Steinert in Laden und Lager: Mützen, Hüte, Bänder und Accessoires.  © Kristin Schmidt

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