Eine Stoffwechselkrankheit brachte eine Sächsin (35) zum Extremsport

Bischofswerda - Es gibt sie wirklich: Powerfrauen, die Berge versetzen können - allein mit ihrer Begeisterung und Willenskraft. Antje Wensel aus Bischofswerda ist so eine. Die 35-Jährige trotzt einer chronischen Stoffwechselkrankheit und geht in ihrer Freizeit als Ultramarathonläuferin an Grenzen. Sie nahm am Sahara Race teil, rannte mit Gepäck auf dem Rücken 250 Kilometer durch die Namib-Wüste. Ihr Lebensmotto heißt: „Du kannst, wenn du willst“.

Antje Wensel lebt am grünen Saum von Bischofswerda. Pro Woche läuft sie 50 Trainingskilometer - am liebsten durch die Natur
Antje Wensel lebt am grünen Saum von Bischofswerda. Pro Woche läuft sie 50 Trainingskilometer - am liebsten durch die Natur  © Norbert Neumann

Antje Wensel wohnt mit ihrem Lebenspartner und zwei Hunden in der Oberlausitz. Die Sachbearbeiterin bei den Dresdner Stadtwerken hat über ihre Lauf-Karriere ein Buch geschrieben - eine fast unglaubliche Geschichte.

Die studierte Betriebswirtin wuchs in Großröhrsdorf und Bischofswerda auf. In der Pubertät begann sie mit ihrem Körper zu hadern, als der seine straffen Konturen verlor. Sie probierte Diäten, weil die Ärzte meinten, dass sie sich falsch ernähre, zu wenig bewege. Irgendwann traute sie sich nicht mehr ins Schwimmbad, obwohl sie den Wassersport liebt.

2014 schnürte sie das erste Mal ihre Sportschuhe und joggte mit ihrem laufbegeisterten Freund. Schritt für Schritt fühlte Antje Wensel trotz der Schmerzen pures Glück:

"Im Laufen fand ich meinen ganz eigenen Weg. Dabei ging es mir nie um Zeiten oder Medaillen. Nur ums Ankommen!"

Antje Wensel wog knapp 100 Kilo bei 1,75 Meter Körpergröße, bevor sie an den Start des Sahara-Race ging. Ärzte hatten ihr wegen ihrer Krankheit vom Lauf abgeraten.
Antje Wensel wog knapp 100 Kilo bei 1,75 Meter Körpergröße, bevor sie an den Start des Sahara-Race ging. Ärzte hatten ihr wegen ihrer Krankheit vom Lauf abgeraten.  © Foto: www.4deserts.com

Sie traute sich immer mehr zu, nahm an Volksläufen und später Marathons teil. Antje Wensel "lächelte" dabei stur weg, dass man sie dort wegen ihrer Figur oft bemitleidete oder gar verspottete. "Für mich zählte nur, dass ich mich getraut habe. Dadurch bekam ich Selbstbewusstsein und wurde glücklicher."

Im Februar 2017 erhielt sie ihre Diagnose: Lipödem. Da träumte sie schon von ihrem ersten Wüsten-Rennen. Denn: Ein Leben in Stützstrümpfen mit Drainage-Therapien und ohne Dauerlauf kam für sie nie infrage. Wensel: "In vier Operationen habe ich mir kranke Fettzellen entfernen lassen. Insgesamt 22 Liter Fett verlor ich dabei."

Die Kosten für die Eingriffe musste sie aus eigener Tasche begleichen, weil ihre Krankenkasse diese Behandlungsform nicht unterstützt. "Insgesamt 20.000 Euro habe ich für die Honorare von Ärzten und Anwälten ausgegeben", stellt Antje Wensel jetzt ernüchtert fest.

Glückliche Sportler vom "Little desert runners Club" - und die Sächsin mittendrin.
Glückliche Sportler vom "Little desert runners Club" - und die Sächsin mittendrin.  © www.4deserts.com

"Die Schmerzen der Operation verschwinden langsam, aber es hat sich gelohnt. Ich habe unendlich viel Lebensqualität gewonnen."

Ihren ersten Wüsten-Run wagte sie Dezember 2016 auf der afrikanischen Wüsteninsel Boa Vista (Kapverden). Wensel blickt zurück: "Mein Probelauf fürs Sahara Race ging gründlich schief. Ich quälte mich unendlich, weil ich die falschen Schuhe und zu wenig Salz-Tabletten genommen hatte." Die Freizeitsportlerin analysierte ihre Fehler. Nach einer Woche Bedenkzeit meldete sie sich schließlich für den Extrem-Lauf im Mai 2017 in Namibia an.

Bei Temperaturen bis 48 Grad Celsius und Tagesetappen-Längen bis 80 Kilometer lief sie dann 250 Kilometer einsam durch die Sandwüste. Wensel stand übermenschliche Strapazen durch, schaffte es am Ende sogar unter die ersten zehn Frauen. Nun ist sie infiziert - mit dem "Wüsten-Lauf-Fieber". Sie verrät: "Im Sommer wollen wir durch die Wüste Gobi rennen."

Früher sprach manvon "Reiterhosen"

Antje Wensel erreichte als neunte Frau beim Sahara Race das Ziel. Danach konnte sie viele Glückwünsche entgegennehmen.
Antje Wensel erreichte als neunte Frau beim Sahara Race das Ziel. Danach konnte sie viele Glückwünsche entgegennehmen.  © www.4deserts.com

Die Krankheit Lipödem kennen viele nur als „Reiterhosensyndrom“. Tatsächlich handelt es sich dabei um eine krankhafte Fettverteilungsstörung.

Dabei lagert sich vermehrt Unterhautfettgewebe im Bereich der Ober- und Unterschenkel-, Po, Hüften, Knie-Innenseite sowie Oberarmen an. Die kranken Fettzellen wuchern ungebremst.

Die chronische Stoffwechselkrankheit hat nichts mit schlechten Lebensgewohnheiten oder falschem Essverhalten zu tun, wird aber häufig damit verwechselt.

Während des Rennens schliefen die Läufer in Gemeinschaftszelten in der Wüste. Ihr persönliches Gepäck trugen die Race-Teilnehmer auf dem Rücken über jede einzelne Etappe bis zum Ziel.
Während des Rennens schliefen die Läufer in Gemeinschaftszelten in der Wüste. Ihr persönliches Gepäck trugen die Race-Teilnehmer auf dem Rücken über jede einzelne Etappe bis zum Ziel.  © www.4deserts.com
In der Wüste nahmen die Extremläufer elende Strapazen auf sich. Insgesamt 250 Kilometer und unzählige Höhenmeter - Dünen rauf und runter - hatte jeder zu bewältigen.
In der Wüste nahmen die Extremläufer elende Strapazen auf sich. Insgesamt 250 Kilometer und unzählige Höhenmeter - Dünen rauf und runter - hatte jeder zu bewältigen.  © www.4deserts.com