Unfassbar! Regierung soll gewusst haben, wo Wirecard-Betrüger Jan Marsalek ist
München - Jan Marsalek ist untergetaucht. Seit 2020 wird der frühere Vorstand der Skandalbank Wirecard weltweit per Haftbefehl gesucht. Der 42-Jährige soll seine Gläubiger um mehr als 3,1 Milliarden Euro gebracht haben und sich dafür vor Gericht verantworten. Nun wurden weitere brisante Details bekannt. Sie betreffen auch Angela Merkel (67, CDU).
Wie die "Bild"-Zeitung berichtet, soll die damalige Bundeskanzlerin gewusst haben, dass sich der mutmaßliche Milliardenbetrüger in Moskau versteckt. Möglicherweise lebt er dort bis heute!
Dem Bericht zufolge soll der Bundesnachrichtendienst (BND) schon Anfang 2021 Informationen darüber besessen haben, dass sich der Österreicher in der russischen Hauptstadt aufhält. Sogar eine Befragung sei dem deutschen Auslandsgeheimdienst angeboten worden.
Demnach soll der Gesuchte unter der "Obhut" des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB gestanden haben.
Weiter heißt es, dass die deutsche Botschaft in Moskau damals von undurchsichtigen Geschäften eines Förderers der dortigen deutschen Schule erfahren habe. Der Mann sei aufgefallen, weil er mit dem russischen Impfstoff Sputnik V gehandelt haben soll.
Außerdem stünde er mit einer paramilitärischen Söldnertruppe in Verbindung und hätte besonders gute Kontakte nach Österreich.
Laut "Bild" soll es sich bei dem bislang Unbekannten um Jan Marsalek gehandelt haben.
FSB in Moskau informierte BND-Zentrale in Berlin
Unbegreiflich ist, dass die BND-Zentrale in Berlin auf ein Angebot des FSB, den Mann zu treffen und zu vernehmen, offenbar überhaupt nicht reagierte und die Anfrage unbeantwortet ließ.
Jedoch soll das Bundeskanzleramt über das Gesprächsangebot aus Moskau informiert worden sein! Damals noch im Amt: Angela Merkel.
Nicht informiert wurden dagegen die Strafverfolgungsbehörden in Bayern. Sitz des inzwischen insolventen Dax-Konzerns war Aschheim bei München. Sie hätten nur einen vagen Hinweis auf Marsaleks Versteck bekommen: ein Gebäude in der Nähe einer "langen Chaussee in Moskau".
Es bleibt brisant! Denn die Bundesregierung will sich in dieser Angelegenheit wohl nicht äußern. Ein Sprecher teilte mit, dass die Regierung zu Angelegenheiten, "die etwaige nachrichtendienstliche Erkenntnisse oder Tätigkeiten der Nachrichtendienste betreffen, grundsätzlich nicht öffentlich Stellung" nehme.
Der Bundestag wolle nun aber prüfen, ob wenigstens Untersuchungsausschuss und Kontrollgremium vorschriftsmäßig in Kenntnis gesetzt waren.
Merkel und Scholz vor Untersuchungsausschuss geladen
Mehr als eineinhalb Jahre nach der Wirecard-Pleite hat die Staatsanwaltschaft München im März dieses Jahres immerhin Betrugsanklage gegen den früheren Vorstandschef Markus Braun (53) erhoben. Die Ermittler werfen dem Manager "bandenmäßiges Vorgehen" vor. Die Hauptverhandlung gegen ihn soll im Herbst stattfinden.
Die Wirecard AG meldete am 25. Juni 2020 Insolvenz an. Zuvor war bekannt geworden, dass 1,9 Milliarden Euro verschwunden waren. Die Summe stieg später auf mehr als drei Milliarden Euro.
Markus Braun trat daraufhin zurück und wurde verhaftet. Jan Marsalek tauchte ab.
Die Insolvenz Wirecards löste bundesweit einen politischen Skandal aus, bei dem auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) wegen Inkompetenz und unmäßiger Nähe zu Wirecard-Führungskräften in die Kritik geriet.
Vom durch den Bundestag eingesetzten Wirecard-Untersuchungsausschuss wurde auch die damalige Bundeskanzlerin Merkel am 23. April 2021 als Zeugin geladen, weil sie sich im September 2019 bei einer Reise nach China für Wirecard eingesetzt hatte.
Und auch Olaf Scholz (63, SPD), damals noch Finanzminister, wurde ins Visier genommen, denn sein Finanzministerium war für die Finanzaufsicht Bafin zuständig. Er musste am 22. April 2021 vor dem Untersuchungsausschuss aussagen.
Unions-Obmann Matthias Hauer (44) beantragte zum damaligen Zeitpunkt eine Beratungssitzung des Ausschusses und erklärte: "Finanzminister Olaf Scholz hat dem Untersuchungsausschuss relevante E-Mail-Kommunikation vorenthalten, die er persönlich zum Thema Wirecard geführt hat."
Scholz behauptete zunächst, zu Wirecard ausschließlich über seine dienstliche Adresse zu kommunizieren. Doch das stimmte nicht! E-Mails dazu hatte er auch von seinem privaten Account verschickt. Diese Nachrichten tauchten in keinen Akten auf - und seien daher dem Ausschuss nicht vorgelegt worden, obwohl auch dies vom Beweisbeschluss umfasst sei.
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