Flugblatt-Skandal: Söder-Urteil über Aiwangers Zukunft gefallen!
München - Sehr spontan hat Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (56, CSU) am Sonntagvormittag um 11 Uhr eine Pressekonferenz zur Causa Aiwanger und der Flugblatt-Affaire angesetzt.
Sein Stellvertreter im Freistaat und Chef der Freien Wähler, Hubert Aiwanger (52), geriet in den letzten Tagen zunehmend unter Druck, nachdem sich nach und nach immer mehr Personen aus seinem ehemaligen Schulumfeld zu Wort gemeldet und ihn dabei als Schüler mit eindeutig rechtsextremen Verhaltensweisen dargestellt hatten.
Konkrete Beweise gibt es keine, zahlreiche Zeugenaussagen und Hinweise allerdings schon.
Aiwanger bestritt zunächst sämtliche Vorwürfe, räumte später bei kleineren Vergehen (menschenfeindliche Witze) eine mögliche Schuld aber ein, appellierte bei einer Bierzeltansprache, dass man einem auch größere Jugendsünden und auch -dummheiten verzeihen können sollte.
Zuletzt wurden öffentlich immer weniger die potenziellen Teenager-Verfehlungen kritisiert, vielmehr der Umgang des Politikers mit den Vorwürfen, der sich zunehmend vor allem als Opfer inszenierte.
Söder hatte Aiwanger einen Katalog von 25 Fragen übergeben, die sein Vize zeitnah beantworten sollte. "Aus aktuellem Anlass" erfolgte schließlich am Sonntagmorgen die Einladung zur Pressekonferenz in der Staatskanzlei.
Mit Spannung erwartet wurde die Entscheidung, ob der CSU-Chef den Boss seines Koalitionspartners - wenige Wochen vor der Landtagswahl am 8. Oktober - feuern würde oder nicht.
Markus Söder über die 25 Fragen: "Antworten waren nicht alle befriedigend."
Schnell wurde klar: Söder, der zuletzt bereits angedeutet hatte, dass eine Koalition nicht von bestimmten Personen abhängig sein muss, steht weiterhin zu seinem Vize, Aiwanger.
"Ich habe eine Entscheidung getroffen. Ich habe es mir dabei nicht leicht gemacht", sagte der Landesvater Bayerns, der - wie bei für ihn sehr ernsten Themen üblich - seine Rede nicht frei hielt, sondern vom Blatt ablas.
"Antisemitismus hat keinen Platz in Bayern", so Söder weiter. Er garantiere das persönlich in seiner Funktion als Landesvater und kritisierte das Flugblatt scharf. "Mir war dabei wichtig, ein faires und geordnetes Verfahren zu finden."
Er wollte nicht vorverurteilen und hielt mit Aiwanger ein langes, persönliches Gespräch. "Leider war sein Krisenmanagement in den letzten Wochen nicht sehr glücklich."
Auch Söder kritisierte die Sprunghaftigkeit bei Aiwangers Dementi. In Bezug auf die 25 Fragen urteilte der CSU-Boss: "Die Antworten waren nicht alle befriedigend." Söder habe gemerkt, wie sehr Aiwanger durch die vergangenen Tage betroffen war.
Flugblatt-Skandal in Bayern: Kein "Schwamm drüber" - aber auch keine Entlassung
"Er hat in seiner Jugend wohl schwere Fehler gemacht", fasste Söder zusammen.
Die lange Zeit, die seit den Vorfällen vergangen sei, die Entschuldigung Aiwangers und die Tatsache, dass seither solche Vorfälle nicht bekannt seien, führten ihn zu seiner Entscheidung: "Daher in der Gesamtabwägung", so Söder "wäre eine Entlassung aus dem Amt aus meiner Sicht nicht verhältnismäßig."
Aber ein "Schwamm drüber" solle es nicht geben. Reue und Demut zu zeigen, wären nun in der Verantwortung seines Stellvertreters. Nur so könne er Vertrauen zurückgewinnen. Aiwanger erklärte sich bereit - nach Rücksprache mit besagten Vertretern - sich mit jüdischen Gemeinden zu treffen und sich zu erklären.
"Ich empfinde das als Augenmaß, statt Übermaß", so Söder. Er unterstrich, dass es daher in Bayern kein Schwarz-Grün nach der Wahl geben werde und die "bürgerliche Koalition" weitergeführt werden könne.
Bei einem Auftritt in einem Bierzelt in Grasbrunn polterte Aiwanger fast zeitgleich, seine Gegner wären mit ihrer "Schmutzkampagne gescheitert" und einige Beteiligte werden sich in Zukunft noch von dieser - angeblichen - "Kampagne" distanzieren müssen.
Die 25 Fragen an und gegebenen Antworten von Hubert Aiwanger findest du >>>hier.
Titelfoto: Christof STACHE/AFP