Schweres Geschütz gegen Eis und Schnee: Hier helfen nur noch Traktoren
Bayreuth/München - Der Tag für Christian Bezold beginnt um 2.30 Uhr am frühen Morgen - wenn es im Winter schneit oder glatt ist. Dann startet er einen seiner zwei Traktoren, fährt damit aber weder aufs Feld noch in den Forst.
Bezold räumt und streut Straßen und Parkplätze. Er ist dabei unterwegs im Auftrag des Landkreises Bayreuth, der Stadt Hollfeld in Oberfranken und hat zudem Auftraggeber aus der Wirtschaft, die in der Früh saubere Parkflächen brauchen.
Zahlreiche Landwirte und Lohnunternehmer in Deutschland sind mit ihren Traktoren im Winter gegen Schnee und Eis im Einsatz - mit angehängten Räumschildern, Schneefräsen, Streuern.
Allein beim Maschinenring, über den Landwirte Dienstleistungen anbieten oder Maschinen austauschen können, sind etwa 7000 Landwirte registriert, die im Auftrag von Kommunen, Unternehmen oder Privatleuten Schnee räumen und Salz oder Splitt gegen Glatteis streuen.
Die Gesamtfläche, die die Maschinenring-Landwirte dabei bearbeiten, sei in den vergangenen Jahren gewachsen, sagt Sprecher Guido Krisam. "Die Schlagkraft der Maschinen ist größer geworden." Der Bereich Winterdienst wachse, es kämen immer mehr Objekte dazu. Insgesamt betreuen die Maschinenringe deutschlandweit mehr als 38 Millionen Quadratmeter Fläche.
"Die Landwirte wohnen in der Regel im gleichen Ort und sehen dadurch natürlich die Wettersituation." Zudem habe man ein Netzwerk von 100 eigenen Wetterstationen und mit eigenen Prognosemodellen aufgebaut.
Die Bandbreite der Konstellationen sei extrem vielfältig. Es gebe den Ackerbauern, der klassischerweise für seinen Hof einen Zuerwerb in den kalten Monaten suche und deshalb im Winterdienst arbeite. Oder den kleinen Milchviehhalter, der sich ein weiteres Standbein sichere.
Es gebe aber auch auf Lohnarbeiten spezialisierte Landwirte, die Stunden für ihre großen Maschinen sammelten, um diese schneller refinanzieren zu können.
Landwirte befreien mit Traktoren sogar den Münchner Flughafen vom Schnee
Längst nicht alle Landwirte im Winterdienst rechnen über den Maschinenring ab, viele arbeiten auch direkt mit Städten, Gemeinden, Kreisen oder Firmen zusammen.
Statistiken, wie viele Kommunen in Bayern bei Schnee und Eis auf die Unterstützung von Landwirten zurückgreifen, gibt es laut Gemeindetag nicht. Man gehe davon aus, dass vor allem in ländlichen Gemeinden solche Leistungen an Landwirte vergeben werden, wenn der eigene Bauhof nicht leistungsfähig genug oder das Gemeindegebiet sehr groß ist und entsprechend viel zu räumen sei, sagt Wilfried Schober, Sprecher beim Gemeindetag.
Und sogar auf dem Münchner Flughafen steuern bei der Beseitigung von Eis und Schnee viele Bauern der Region ihre Traktoren: Im Normalbetrieb sind im Winter 133 Fahrzeuge auf dem nicht-öffentlichen Bereich des Airports im Einsatz, circa 100 davon werden von Landwirten gefahren.
Im Winterdienst auf Landwirte zu setzen, habe mehrere positive Effekte, sagt Alfons Breiteneicher, Leiter des Flächen- und Winterdienstes: "Traktoren sind wendiger als Lastwagen." Und im Winter stünden viele Traktoren meist ungenutzt in den Hallen der Landwirte - "da haben wir einen super Synergieeffekt. Die Landwirte haben die Technik, die wir brauchen. Also schließen wir uns zusammen."
Von Vorteil sei es zudem, dass Landwirte keine Berührungsängste bei großen Flächen hätten, da sie das Arbeiten dort gewohnt seien, und dass sie über Routine und Erfahrung im Umgang mit den Maschinen verfügten.
Seit Eröffnung des Flughafens 1992 sei der Anteil der Landwirte im Winterdienst kontinuierlich erhöht worden. "Wir haben die Vorteile gesehen und fahren sehr gut damit."
Streuvorteil: Traktoren sind wendiger als Lastwagen
Welche technische Ausstattung Landwirte im Winterdienst nutzen, sei ein "breites Feld", sagt Christoph Götz vom Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA).
Inzwischen gebe es Streuer, die mit großer Präzision das Streusalz ausbrächten und auch genau dokumentierten, wann wo wie viel gestreut worden sei.
Das gibt Rechtssicherheit im Rahmen der Räum- und Streupflicht, hilft aber auch, die Umwelt zu schonen, weil nur so viel Salz ausgebracht wird, wie nötig.
Auf die technischen Möglichkeiten verweist auch Guido Krisam vom Maschinenring: Es lasse sich über moderne Technik im Traktor sogar dokumentieren, wann der Räumschild abgesenkt wurde.
Wie gut oder schlecht ein Landwirt oder Lohnunternehmer im Winterdienst verdient, hängt davon ab, ob viel Schnee fällt oder die Straßen oft glatt sind. Zwar ist laut Maschinenring bei 90 Prozent der Verträge eine Bereitstellungs- und Bereitschaftspauschale vereinbart, vergütet wird aber nach Fläche oder Einsatzstunden.
Christian Bezold hat nach einem schneereichen Tag in Oberfranken seine Räumschicht beendet, viele Kilometer war er unterwegs - und ist froh darüber, dass im Winter 2020/21 schon einige Male Schnee gefallen ist. Denn die weißen Flocken sind im Winter sein Geschäft, dafür steht er gerne früh auf.
"In den vergangenen drei Jahren hatten wir eigentlich keine richtigen Winter. So einen Schneetag wie heute hatten wir schon lange nicht mehr."
Titelfoto: Nicolas Armer/dpa