Gebühren für Flüchtlings-Unterkünfte: Richter tadeln Staatsregierung!
München - Asylbewerber müssen Gebühren für die Unterkunft in Flüchtlingsheimen zahlen. Bereits zum zweiten Mal mussten sich im Freistaat nun Bayerns oberste Verwaltungsrichter mit eben jenen befassen. Letztlich erklärten die zuständigen Richter der Staatsregierung gar, wie ein Sozialstaat funktioniert.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) in München hat zum zweiten Mal die Wohnkosten für Flüchtlinge in Asylheimen für unzulässig erklärt.
In ihrer Entscheidung kritisieren die Richter dabei schließlich die Gebührenvorschriften des Freistaats in ungewöhnlich harter Form: Es bleibe demnach zu hoffen, dass sich Bayern "beim dritten Versuch einer dem Sozialstaatsgebot entsprechenden Gebührenordnung" an der Erkenntnis orientiere, dass Flüchtlinge zumeist nur sehr geringe eigene Mittel hätten, heißt es in dem VGH-Beschluss.
Wie ein Sprecher des VGH erläuterte, hatten zwei Asylbewerber gegen die Benutzungsgebühren für ihre Flüchtlingsunterkünfte geklagt. Konkret ging es in dem entsprechenden Verfahren darum, dass der Freistaat in der Gebührenordnung Alleinstehenden und den Haushaltsvorständen mehr Geld als anderen Haushaltsmitgliedern berechnet.
Für solch eine Differenzierung gebe es allerdings keinen sachlichen Grund, weshalb eine Ungleichbehandlung nicht erfolgen dürfe, erklärte der VGH-Sprecher hinsichtlich der Entscheidung.
Darüber hinaus bemängelt der Senat mit deutlichen Worten insbesondere, dass der Freistaat für seine Unterkünfte in den Heimen Preise entsprechend des allgemeinen Immobilienmarkts ansetze.
Für ein "nicht vergleichbares Leistungsangebot" soll den Betroffenen "mehr als das Doppelte des auf dem Mietwohnungsmarkt Üblichen" in Rechnung gestellt werden. Normale Mietverträge auf dieser Basis würden möglicherweise den Straftatbestand des Wuchers oder sogar den des Betruges erfüllen, betonten die Richter.
VGH hatte bereits 2018 Vorgängerregelung der aktuellen Gebührenregelung für unwirksam erklärt
Dabei liege es in der Natur solcher Sozialleistungen, dass diese eben von der Solidargemeinschaft subventioniert werden müssten und deshalb den Flüchtlingen nur ein symbolisches Entgelt berechnet werden dürfe, "soll der Eintritt von Obdachlosigkeit nicht billigend in Kauf genommen werden", halten die Richter dem Freistaat zudem weiter vor.
Dies "auszuhalten", ist gelebter Sozialstaat und in allen Bereichen der Daseinsvorsorge tägliche, durch die Erhebung von Steuern finanzierte Praxis", schreiben die Richter in dem Beschluss.
Bereits 2018 hatte der VGH die Vorgängerregelung der aktuellen Gebührenregelung für unwirksam erklärt. Das Innenministerium in München kündigte an, kein Rechtsmittel gegen das neue Urteil einlegen zu wollen. Vorläufig seien die Gebühren für die Asylbewerber entsprechend ausgesetzt.
"Somit werden derzeit auch keine Gebührenbescheide mehr erstellt und verschickt", erklärte eine Ministeriumssprecherin. Es werde jetzt an einer Neuregelung gearbeitet.
Das Ministerium betonte, dass ein Großteil der Gebühren bislang nicht von den Betroffenen direkt getragen worden seien, vielmehr seien es Sozialleistungen des Bundes gewesen. "Die nun vom Freistaat vorzunehmende weitere Senkung der Gebühren wird also vor allem den Bund entlasten und den Landeshaushalt zusätzlich belasten", sagte die Sprecherin.
Alexander Thal, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats, meinte hingegen, dass bereits die erste VGH-Entscheidung vor drei Jahren "eine schallende Ohrfeige" für Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (64, CSU) gewesen sei.
Es sei kaum zu fassen, dass es dem Ministerium schlichtweg nicht gelinge, "eine verfassungskonforme Gebührenregelung zu erlassen". Dann solle das Ministerium lieber ganz auf die jeweiligen Gelder verzichten. "Dieses jahrelange Hin und Her bei den Gebühren ist ein Armutszeugnis für jeden Rechtsstaat!"
Titelfoto: Armin Weigel/dpa