Drag-Lesung sorgt für Aufregung: Das sagt Vicky Voyage zur "Kindeswohl"-Debatte

München - Die Dragqueen Vicky Voyage (34) hält den Vorwurf der Frühsexualisierung durch ihren geplanten Auftritt bei einer Lesung für Kinder der Münchner Stadtteilbibliothek Bogenhausen für ungerechtfertigt.

Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger (52) sieht in der Veranstaltung der Stadtbibliothek einen "Fall fürs Jugendamt".
Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger (52) sieht in der Veranstaltung der Stadtbibliothek einen "Fall fürs Jugendamt".  © Sven Hoppe/dpa

"Hätten diese Menschen die Informationen zur Veranstaltung sorgfältig gelesen, wüssten sie, dass es sich um ein kindergerechtes Programm handelt", sagte die Künstlerin der Deutschen Presse-Agentur in München am Dienstag.

Sie wolle Kinder für Bücher begeistern und ihnen verschiedene Lebensweisen und Blickwinkel nahebringen. Unterstützung bekam sie von der prominenten Dragqueen Olivia Jones (53), die selbst oft vor Kindern liest: "Etwas mehr Unaufgeregtheit und weniger Populismus würden der Diskussion sicher guttun."

Auch bei der Aktion Jugendschutz in Bayern bleibt man gelassen, schließlich hätten die Akteure ein kindgerechtes Programm angekündigt.

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"Drag Queen Vicky Voyage mit Drag King Eric BigClit und die trans* Jungautorin Julana Gleisenberg nehmen euch mit in farbenfrohe Welten, die unabhängig vom Geschlecht zeigen, was das Leben für euch bereithält und dass wir alles tun können, wenn wir an unseren Träumen festhalten!", wird die Lesung "Wir lesen euch die Welt, wie sie euch gefällt" angekündigt.

Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger (52) sah darin "Kindswohlgefährdung und einen Fall fürs Jugendamt", wie am Wochenende in der "Bild"-Zeitung zu lesen war.

"Die Gefährdung von jungen Menschen geht nicht von einer harmlosen Drag-Lesung aus, sondern von der Hetze und den Abwertungen, die von den Gegnern der Community verbreitet werden", entgegneten die Vereine LesCommunity und Münchner Aidshilfe.

Die in der Lesung verwendeten Kinderbücher böten eine altersgerechte Möglichkeit, sich dem Thema der Geschlechterrollen zu nähern.

Dragqueen Vicky Voyage will Kinder für Bücher begeistern

Dragqueen Vicky Voyage (34) wehrt sich gegen die Vorwürfe gegen ihre Lesung für Kinder.
Dragqueen Vicky Voyage (34) wehrt sich gegen die Vorwürfe gegen ihre Lesung für Kinder.  © Vicky Voyage/dpa

Der Sexualpädagoge Michael Kröger von der Landesarbeitsstelle Aktion Jugendschutz hält das Angebot sogar für gut. Viele Bildungsangebote und Medien zeigten nur traditionelle Geschlechterrollen und Familienmodelle. Drag sei eine Kunstform, die mit Geschlechterrollen spiele und oft das Gegengeschlecht der agierenden Person in überzeichneter Weise darstelle.

"Kinder nehmen die bunten Kostümierungen eher als lustig und interessant wahr – vielleicht sind sie auch zunächst irritiert, weil der Anblick sehr ungewohnt ist. Wahrscheinlich haben viele Kinder auch viele Fragen dazu", sagt er.

Vicky Voyage kann die Aufregung um ihren Auftritt am 13. Juni nicht verstehen - und findet die Vorwürfe haltlos. "In einem Kino laufen nachmittags Filme für die ganze Familie und abends teilweise für Publikum 18+. Ist es dadurch ein Erotik- oder gewaltverherrlichendes Kino, das man mit Kindern meiden sollte? Nein. Sondern das Programm wird individuell an das jeweilige Publikum angepasst", erklärt sie.

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"Wem das Programm nicht gefällt, kann den Raum jederzeit verlassen." Sie wolle Kinder für Bücher begeistern und ihnen verschiedene Lebensweisen und Blickwinkel nahebringen. "Es geht nicht um Sexualität sondern um Identität und Diversität."

Münchner OB entschuldigt sich für seine Äußerungen, CSU fühlt sich ungerecht behandelt

Oberbürgermeister Dieter Reiter (64, SPD) hält ein Verbot der Drag-Lesung für "überzogen".
Oberbürgermeister Dieter Reiter (64, SPD) hält ein Verbot der Drag-Lesung für "überzogen".  © Matthias Balk/dpa

Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (64, SPD) entschuldigte sich für seine anfängliche Kritik an der Lesung. "Mir war nicht bewusst, dass meine Äußerung eine solche Auswirkung in die Community hinein haben würde und dass ich damit auch Menschen verletzt habe. Das war nie meine Absicht und tut mir leid", stellte Reiter klar. "Völlig absurd ist, dass mein Statement von rechten Kreisen als Legitimation fürqueer-feindliches Auftreten genutzt wird." Er stehe "auch weiterhin stabil an der Seite der gesamten queeren Szene".

Die CSU-Fraktion in München stört sich vor allem am Namen "BigClit", zu Deutsch so viel wie "Große Klitoris". Dieser Name sei sexualisiert, urteilte die Fraktion. Eine Reaktion, die den Sexualpädagogen Krüger nicht überrascht. Für die Außendarstellung sei der Künstlername problematisch, er provoziere und könne falsche Assoziationen hervorrufen. "Festzustellen ist aber auch, dass Kinder eine englischsprachige Abkürzung dieser Art in der Regel nicht verstehen, und selbst wenn, auch die Benennung eines Körperteils an sich keine Kindeswohlgefährdung darstellt", findet Kröger.

In München wird weiter diskutiert. Für Unmut bei der CSU sorgte die Tatsache, dass die Stadtratsfraktion am Christopher Street Day nicht bei der Parade mit einem eigenen Wagen dabei sein darf. Voraussetzung für eine Teilnahme sei der glaubhafte und konsequente Einsatz fürgleiche Rechte und gesellschaftliche Akzeptanz aller queeren Menschen, so die Veranstalter, die das bei der CSU nicht gegeben sehen, auch wenn sich einzelne Personen glaubhaft dafür stark machten.

Die CSU fühlt sich durch die Absage ungerecht behandelt: "Wer Vielfalt feiert, muss auch vielfältige Meinungen akzeptieren."

Titelfoto: Bildmontage:Sven Hoppe/dpa, Vicky Voyage/dpa

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