Zufahrtsschutz-Experte sicher: "Ganze Flanken am Weihnachtsmarkt offengelassen"
Von Christopher Kissmann
Magdeburg - Wie war die Todesfahrt über den Weihnachtsmarkt in Magdeburg möglich? Laut dem Zufahrtsschutzexperten Christian Schneider wurden im Vorfeld Fehler gemacht. Wo genau haperte es?
Im Sicherheitskonzept werde zwar mehrfach auf die Gefahr von Überfahrtaten hingewiesen, sagte Schneider der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Es werde aber nicht beschrieben, wie dieser Bedrohung regelkonform zu begegnen sei.
"Fakt ist: Der Ersteller hat sich nicht an die Regeln gehalten und dabei ganze Flanken offengelassen."
Kurz vor Weihnachten war ein 50-Jähriger mit einem Auto über den Magdeburger Weihnachtsmarkt gerast. Der Täter war an einem breiten Gehweg zwischen einer Fußgängerampel und einer Betonblocksperre hindurchgefahren.
Dieser Bereich hätte aus Sicht von Schneider besser gesichert sein müssen, zum Beispiel mit Pollern, die man öffnen und schließen kann. Fluchtwege müssten zwar freigehalten werden, so Schneider.
Aber: "Freihalten heißt nicht, dass fünf oder sechs Meter breite Lücken klaffen dürfen. Diese Zufahrt hätte man also beispielsweise mit Pollern absichern können und müssen, sodass in der Zufahrt keine Lücken verbleiben, die breiter als 1,2 Meter sind."
Im Einsatzfall könne man solche Zufahrten für Feuerwehr- und Rettungskräfte öffnen.
Örtlichkeiten statt Veranstaltungen schützen
Schneider erstellt Zufahrtsschutzkonzepte, er hält Betonblöcke um den Weihnachtsmarkt für ungeeignet. Zudem habe man in Magdeburg ganze Flanken offengelassen.
"Denn wir haben ja nicht nur eine Zufahrt, die genutzt werden konnte, sondern sogar mehrere. [...] Der Täter hätte auch entlang der Straßenbahnschienen zur Straßenbahnhaltestelle vorfahren und dann schräg auf den Alten Markt abbiegen können - zumal dort ja sogar der Bordstein abgesenkt ist."
Die Landeshauptstadt teilte auf Anfrage mit, Autor des Sicherheitskonzepts sei die Gesellschaft zur Durchführung der Magdeburger Weihnachtsmärkte.
Man werde die Ermittlungen der zuständigen Behörden zu Fragen rund um das Sicherheitskonzept vollumfänglich unterstützen, sich aber nicht an Spekulationen und voreiligen Schuldzuweisungen beteiligen, sagte ein Sprecher der Stadt.
Die Betreibergesellschaft äußerte sich auf Anfrage nicht. Auch das Landeskriminalamt Sachsen-Anhalt will aktuell keine Fragen dazu beantworten.
Ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Naumburg sagte, man prüfe, ob die Tat möglicherweise durch eine nicht vollständige Absicherung des Marktes begünstigt worden sei. "Vom Weihnachtsmarkt selbst geht keine Gefahr aus", sagte der Sprecher.
Die Gefahr sei vom Vorsatz des Täters ausgegangen. Bei den Ermittlungen gehe es darum, inwieweit eine solche Tat vorhersehbar sei und ob und wie diese sicher hätte verhindert werden können.
Titelfoto: Bernd Weißbrod/dpa