Nach Roland-Kaiser-Eklat: Grüne und Linke wollen Abwahl des Landtagspräsidenten
Magdeburg - Die Opposition im Landtag von Sachsen-Anhalt unternimmt konkrete Schritte, um den Parlamentspräsidenten Gunnar Schellenberger (63, CDU) abzuwählen.
Wie die Deutsche Presse-Agentur am Montag erfuhr, wollen Grüne und Linke in dieser Woche einen Antrag auf Abberufung Schellenbergers beschließen. Im Anschluss soll jeder Parlamentarier den Antrag zugestellt bekommen.
Schellenberger habe das Maß des Zumutbaren deutlich überschritten, sagte Grünen-Fraktionschefin Cornelia Lüddemann (55). "Dass er in der sogenannten Balkonaffäre gelogen hat, ist der vorläufige Höhepunkt in einer Reihe von Verfehlungen."
Lüddemann sagte weiter: "Ich fordere jeden einzelnen Abgeordneten von SPD, CDU und FDP auf, in sich zu gehen, ob sie einen so unwürdigen Landtagspräsidenten weiter mittragen wollen."
Der Landtag brauche einen Präsidenten, der in der Lage sei, "durch persönliche Glaubwürdigkeit und überparteiliche Amtsführung Achtung und Würde herzustellen".
Erklärungen des Landtagspräsidenten werden als unglaubwürdig gewertet
"Nach den nicht glaubhaften Erklärungen des Landtagspräsidenten nach dem Roland-Kaiser-Konzert steht für uns fest, dass er sein Amtszimmer für rein private Zwecke genutzt und damit das Hausrecht verletzt hat", sagte Linken-Fraktionschefin Eva von Angern (46).
"Schwerer wiegt für uns darüber hinaus, dass er nicht bereit ist, der Öffentlichkeit die Wahrheit zu sagen. Der Verlust an Glaubwürdigkeit und Respekt ist fundamental."
Vor knapp zwei Wochen war ein Foto öffentlich geworden, auf dem der Landtagspräsident mit mehreren Gästen auf dem Balkon seines Dienstzimmers zu sehen ist. Das Bild entstand an einem Samstagabend, dem 12. August, während eines Konzerts von Roland Kaiser (71) auf dem Domplatz, der direkt an den Landtag grenzt.
In der vergangenen Woche hatte der Landtagspräsident bekräftigt, dass er für den Abend des Konzerts einen dienstlichen Termin in seinem Büro hatte und nur als Nebeneffekt einen Blick auf das Musikgeschehen warf. Unter anderem sei seine Ehefrau bei der Besprechung dabei gewesen.
Mit Konzertbeginn sei es sehr laut geworden, eine Fortsetzung des Gespräches sei nicht mehr möglich gewesen. "Da es so voll war, da so viele Leute hier anwesend waren, haben wir gewartet, bis das Konzert zu Ende war", sagte Schellenberger.
SPD fordert Rücktritt Schellenbergers
Für eine Abwahl des Landtagspräsidenten gibt es hohe Hürden. Nach der Geschäftsordnung kann ein solcher Antrag von der Mehrheit der Mitglieder des Landtages gestellt werden. Frühestens drei Wochen nach Eingang könnte darüber abgestimmt werden. Um den Präsidenten abzuwählen, bräuchte es dann eine Zweidrittelmehrheit.
Grüne und Linke haben im Parlament zusammen 18 von 97 Stimmen. Am Rande der Landtagssitzung in dieser Woche soll um Stimmen aus der schwarz-rot-gelben Koalition geworben werden.
Am Montagabend kommt in Magdeburg der Koalitionsausschuss zusammen. Neben der Opposition hatte am Freitag auch der Koalitionspartner SPD den Rücktritt Schellenbergers gefordert.
Titelfoto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa