Junge Familie entgeht knapp Horror-Anschlag: "Sind mit dem Kinderwagen weggerannt"
Magdeburg - Auch eine Woche nach dem Horror-Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt sitzt die Trauer und Verzweiflung tief in der Elbestadt. Eine junge Familie berichtet, wie sie der Tat nur ganz knapp entging.
Marie-Luise F. und ihr Verlobter verbinden den Magdeburger Hüttenzauber eigentlich mit dem schönsten Moment in ihrem Leben.
"Letztes Jahr hat mein Partner mir hier einen Heiratsantrag gemacht, ausgerechnet an seinem Geburtstag", erinnert sich die junge Mutter, "es war unser Ort des Glücks."
Wie sie gegenüber einem Reporter vor Ort erklärt, kehrten die beiden mit ihrem jungen Kind am 20. Dezember zum Weihnachtsmarkt zurück, um auch in diesem Jahr den Geburtstag und die Verlobung zu feiern.
Doch dann, um 19 Uhr, kam alles anders. "Wir waren gerade mit dem Kinderwagen unterwegs, als wir plötzlich das Auto sahen", erzählt Marie-Luise F. weiter.
"Es kam um die Kurve gerast und fuhr direkt in die Menschenmenge. Wir haben gesehen, wie das Auto Menschen überrollt hat", erinnert sie sich an die Horror-Fahrt des Täters Taleb A. (50), der fünf Menschen tötete und mehr als 200 verletzte.
Marie-Luise F. beobachtet Anschlag: "Wir haben gesehen, wie das Auto Menschen überrollt hat"
Ihr Mann ergänzt: "Wir standen wie erstarrt. Doch dann haben wir den Kinderwagen genommen und sind einfach losgerannt. Wir wollten nur noch weg, nur noch in Sicherheit."
Die junge Familie fand Zuflucht in der Johanniskirche. Doch auch dort fühlten sie sich nicht sicher - denn vorerst war unklar, ob sich der Täter noch auf freiem Fuß befand.
"Wir wussten nicht, ob er aussteigt, ob er weiterfährt oder ob noch mehr passiert", stellt die Magdeburgerin klar.
Nach Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt: Hunderte gedenken den Opfern
Das Ereignis lässt die Familie seitdem nicht mehr los. "Das stumpfe Geräusch, als es zur Kollision kam, das vergesse ich nicht. Es verfolgt mich seitdem, besonders nachts. Ich sehe immer wieder diese Bilder vor mir", schildert Marie-Luise F.
Aus diesem Grund kehrten die drei nach Weihnachten zum Ort des Geschehens zurück. Vor der Johanniskirche liegt auch jetzt, eine Woche nach dem Anschlag, ein Meer aus Blumen, Kerzen und Plüschtieren.
"Wir wollten sehen, wo wir waren, was passiert ist. Es ist schwer, aber es ist ein Schritt, um das zu verarbeiten", findet Marie-Luise, "Wir haben so viele schöne Erinnerungen an diesen Ort, aber jetzt ist alles überschattet von diesem schrecklichen Abend."
Der einzige Lichtblick in der Finsternis: Der Zusammenhalt und die herrschende Anteilnahme in der Elbestadt. "Das gibt einem ein wenig Trost", meint die junge Mutter abschließend, "wir müssen auch an die Liebe glauben, die uns an diesen Ort geführt hat."
Titelfoto: Bildmontage: Julian Stähle