"Extremst belastend": Opferbeauftragte nimmt Anschlagsbetroffene in Schutz
Von Dörthe Hein
Magdeburg - Sachsen-Anhalts Landesopferbeauftragte Gabriele Theren kritisiert, dass Betroffene des Anschlags auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt verschiedenen Institutionen immer wieder ihre Erlebnisse schildern müssten.

Die Belastung der Betroffenen könne reduziert werden, wenn unter Einhaltung des Datenschutzes Angaben einmal erfasst und potenziellen Hilfestellern zur Verfügung gestellt werden könnten, sagte Theren im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss in Magdeburg. "Das wäre bei diesen Mengen wirklich sehr, sehr wichtig."
Laut der Landesopferbeauftragten liegt die Zahl der erfassten Betroffenen aktuell bei 1650.
Das seien Zahlen, die die Polizei registriert habe, orientiert an der Definition des Bundeskriminalamts, sodass auch Zeugen enthalten sein können.
Theren sprach von einem "Zahlen-Wirrwarr". Es werde mit Excel-Tabellen gearbeitet und aufwendig händisch abgeglichen.
Opferbeauftragte als Stimme der Betroffenen
Der Untersuchungsausschuss hatte die Landesopferbeauftragte als Fürsprecherin und Stimme der Opfer geladen. Die Ausschussvorsitzende Karin Tschernich-Weiske (52, CDU) sagte, man wolle Opfer nicht selbst einladen, um mögliche Retraumatisierungen zu vermeiden.
Kurz vor Weihnachten war ein 50-Jähriger aus Saudi-Arabien mit einem Auto über den Magdeburger Weihnachtsmarkt gerast. Dabei wurden sechs Menschen getötet und über 300 weitere verletzt. Der Täter sitzt in Untersuchungshaft.
Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss war im Landtag im Januar eingesetzt worden. Die 13 Mitglieder wollen zunächst das Tatgeschehen und das Sicherheitskonzept des Weihnachtsmarktes näher beleuchten.
Sehr schnelle Hilfe am Abend des Magdeburger Anschlags

Theren betonte, den Verletzten sei an dem Abend sehr schnell geholfen worden. Es sei eine Art "Glück im Unglück" gewesen, dass zahlreiche Ärzte und Rettungskräfte dort waren. So habe es "atypisch wenig Tote" gegeben.
Allerdings liege die Zahl der Schwerstverletzten bei 84. Mit allem medizinischen Know-how werde es bei ihnen "nicht wieder gut werden". "Das ist für die Angehörigen extremst belastend", so Theren.
Die ersten Hilfen für die Betroffenen seien gleich nach dem Anschlag auf den Weg gebracht worden. Es seien Briefe an alle Betroffenen und Angehörigen geschickt worden.
Schnell habe ein Runder Tisch stattgefunden, eine Hotline der zentralen Traumastelle wurde hochgefahren. "Gerade die Briefe sind am Anfang gut in Anspruch genommen worden - man hatte jemanden, den man anrufen konnte", so Theren.
Inzwischen gehe es darum, dass jeder die Anträge bekommt, die er brauche. Für den Landesfonds lägen inzwischen etwa 200 Anträge vor. Sie wissen von vielen Betroffenen, dass es gar nicht ums Geld geht. "Es geht ums Gesehenwerden, ums Wahrgenommenwerden", so Gabriele Theren.
Titelfoto: Bildmontage: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa, Peter Gercke/dpa-Zentralbild/dpa