"Onkel Werner" am Theater Magdeburg: Spielzeit beginnt mit ordentlich Wucht!
Magdeburg - Mit einer Doppel-Premiere startete das Theater Magdeburg am Samstagabend in die neue Spielzeit und feierte nach "Monopoly" auch mit "Onkel Werner" eine Uraufführung - die es echt in sich hat!
Die ehemalige linke Politikerin Alexandra kehrt mit ihrer wesentlich jüngeren Partnerin aufs Land zurück - zur "Pension Werner", die sie mit ihrem verstorbenen Ex-Mann gegründet hatte, die nun von ihrer Tochter, ihrem Ex-Schwager und ihrer Ex-Schwiegermutter geleitet wird.
Doch vieles hat sich geändert. Die ursprünglich so liberal eingestellte Familie driftet auseinander, Beziehungskrisen entstehen, Streits brechen aus.
Die Situation spitzt sich immer mehr zu und am Ende steht nur noch eine Frage im Raum: Was wird aus der Pension? Was wird aus uns?
Für Regisseur Jan Friedrich ist "Onkel Werner" (im Original "Onkel Wanja" von Anton Tschechow) nach "Woyzeck" und "Blutbuch" bereits die dritte Inszenierung am Magdeburger Haus.
Viele Theaterfans haben bei seinem Namen im Spielplan sicherlich die Ohren gespitzt - dass er seine beiden vorherigen großartigen Darbietungen nochmal übertrifft, damit haben wohl die wenigsten rechnen können.
"Onkel Werner": Aktuell, schockierend, grandios!
Friedrichs übliches Markenzeichen, die Verwendung von Stroboskoplicht und Live-Kamera, hat auch in der Inszenierung von "Onkel Werner" wieder Verwendung gefunden.
Die Kulisse ist von vorne simpel, lediglich eine Häuserfront, doch mittels der Kamera erkunden die Schauspieler und das Publikum das Innere des Hauses und erhaschen so noch intimere Einblicke in das Leben der Figuren.
Eine weitere Kennung von Friedrichs Werken sind ihre Aktualität. "Onkel Werner" befasst sich mit dem sogenannten Rechts- bzw. Linksruck, sexueller Belästigung, Klimawandel und Intoleranz.
Dabei wirkt das Schauspiel zu keiner Zeit besserwisserisch, belehrend oder bevormundend. Im Gegenteil, dieses hochaktuelle, wuchtige Stück kommt zuweilen mit entzückendem Witz daher, deutet viele Situationen nur an und lässt den Zuschauer selber denken. Bis mit einer expliziten Geste oder einer rechten Parole auch der Letzte daran erinnert wird, worum es eigentlich geht.
Nämlich die Frage, was passiert, wenn sich alles ändert? Ändern wir uns dann auch?
Ist "Onkel Werner" am Theater Magdeburg einen Besuch wert?
Jan Friedrichs inszenatorischer Wucht bietet das siebenköpfige Schauspielensemble ordentlich Paroli.
Iris Albrecht als Alexandra ist so verschroben, kauzig, urkomisch und gleichzeitig so reell, dass viele Zuschauer wahrscheinlich dachten "Hey, so eine kenne ich auch!".
Sie zeigt damit ein ebenbürtiges und passendes Pendant zu Nico Links sarkastischem, direktem und konservativem Werner.
Marie-Joelle Blazejewski und Luise Hart als Alexandras Partnerin bzw. Tochter verleihen dem Stück Herz, tiefe Trauer und Melancholie.
Die Schauspieler erwecken diese tragischen Figuren zum Leben und sind der Grund, warum der minutenlange Applaus am Ende einfach nicht aufhören will.
Fazit: "Onkel Werner" am Theater Magdeburg ist eine absolute Meisterleistung der Dramödie - und das auf jeder Ebene. Regisseur Jan Friedrich beweist sein kreatives Händchen für aktuelle Themen und die Schauspieler sind allesamt in Höchstform. 105 Minuten Spieldauer verfliegen ruckzuck durch so viel Herz, Witz, Gefühle, Erschrecken und inhaltliche Wucht, die jeden Zuschauer wochenlang beschäftigen wird. Wer dieses Stück verpasst, der hat es nur sich selbst zuzuschreiben.
Weitere Vorstellungen findet Ihr auf dem Spielplan des Theaters.
Titelfoto: Bildmontage: Theater Magdeburg/Gianmarco Bresadola