"Jagdszenen" am Theater Magdeburg: Blutiges Drama macht sprachlos
Magdeburg - Zum Abschluss des dreitägigen Theaterfests premierte nach "Blume von Hawaii" und "Wolf" am Samstagabend das Theaterstück "Jagdszenen" am Magdeburger Schauspielhaus. TAG24 war bei der Vorstellung dabei und setzte das Drama auf den Prüfstand.
Menschen machen nicht nur Jagd auf Tiere, sondern in erster Linie auch auf einander - besonders in kleingeistigen Gegenden ist jeder, der nicht genau dem Ideal entspricht, ein Außenseiter.
Das Schauspiel "Jagdszenen", im Original von Martin Sperr, thematisiert, wie harmloses Lästern und kleine Beschimpfungen schnell zu einem Skandal sondergleichen ausarten kann.
Zum Inhalt: Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg flüchtet Abram, der zuvor eine Haftstrafe wegen Homosexualität absitzen musste, in das Dorf seiner Mutter Barbara. Schon zerreißen sich die Dorfbewohner ihre Mäuler und wollen Abram aus dem Dorf vertreiben, immerhin wohnen dort nur "gute" Leute.
Dort leben aber auch Maria und Volker, die unverheiratet zusammenleben, Tonka, die ein außereheliches Kind von Abram erwartet, und Rovo, der mit mentalen Problemen zu kämpfen hat und deshalb als "Dummkopf" abgestempelt wird. Niemand ist perfekt, und trotzdem ist immer jemand anderes der Schlechte.
"Jagdszenen" ist starker Tobak mit ganz viel Schauspieltalent
Ausgestattet mit hellen, pastellfarbenen Kostümen werden die Charaktere durch Blut und Schmutz im Laufe der Handlung immer weiter verdreckt, um die Korruption ihrer Moral widerzuspiegeln. Die düstere Atmosphäre und die fast gruseligen Gaffermasken sind dabei nichts für schwache Gemüter.
Regisseurin Julia Prechsl entschied sich in ihrer Fassung bewusst dafür, den im Original enthaltenen Lokalbezug zu streichen, immerhin passieren Geschichten wie diese nicht nur an einem Ort.
Mit geübter Hand nimmt sie diesen Klassiker des Volkstheaters und inszeniert daraus ein dramatisches, schweres Stück mit viel Tiefe und Emotion.
"Jagdszenen" am Theater Magdeburg: Ist das Drama einen Besuch wert?
Das achtköpfige Schauspielensemble ist für etwa 90 Minuten am Werk, jeden im Publikum mit nackter Wut, Hass oder Verzweiflung abzuholen. Zu keinem Zeitpunkt wirkt das Drama überinszeniert, die minimalistische Bühnengestaltung lässt den Schauspielern den Vortritt.
Robert Lang-Vogel als Abram führt mit viel Gefühl und Körpereinsatz durch die Handlung und reißt in grandiosen Einzel- und Gruppenszenen das Publikum emotional mit. Oktay Önder als Rovo hat nur wenige, dafür aber umso eindrucksvollere Szenen, in denen er eine tragische und fast kindliche Rolle herzzerreißend überzeugend darbietet.
Und auch Iris Albrecht als Barbara und Maria oder Mia Rainprechter als Tonka beweisen mal wieder, dass ihnen an reinem Talent und Spielfreude kaum jemand so schnell das Wasser reicht. Allerspätestens in der Szene, in der sich Lang-Vogel und Rainprechter ein auf den Punkt geschauspielertes Schreiduell leisten, sollte klar sein, dass auch mit "Jagdszenen" das Theater Magdeburg einen weiteren Hauptgewinn in petto hat.
Fazit: Für einen gemütlichen und leichten Samstagabend ist "Jagdszenen" am Theater Magdeburg wirklich nichts. Das Drama ist starker Tobak, der nichts für schwache Gemüter ist. Das vorausgesetzt, ist das Schauspiel tiefgründig, erschütternd, ernst - und ein ordentlicher Home-Run für dieses Ensemble. Selten waren die Schauspieler so in Höchstform und selten hat eine so hervorragende Inszenierung so die Sprache verschlagen. Man kann die Emotionen und den Eindruck kaum in Worte fassen, deshalb: Lieber selbst anschauen!
Weitere Vorstellungen von "Jagdszenen" findet Ihr im Spielplan des Theaters. Tipp: Unbedingt vorher die Trigger-Warnung zum Stück lesen!
Titelfoto: Bildmontage: Theater Magdeburg/Katrin Ribbe