"Blutbuch" am Theater Magdeburg: Seltsamer geht's nicht - das müsst Ihr sehen!
Magdeburg - Am Samstagabend feierte das Schauspiel "Blutbuch" Premiere am Theater Magdeburg. Damit legt das Schauspielhaus ein seltsam verschrobenes, aber interessantes und sehenswertes Stück vor.
Basierend auf dem gleichnamigen Roman von Kim de l'Horizon handelt das Schauspiel vom eigenen Leben des Autors, vom Nicht-binär-sein, von Identität, Sex, Geschlecht, Familiengespinsten und Selbstbestimmung.
Ausgangspunkt des Buches war die beginnende Demenz der Großmutter, die die Erzählfigur dazu bringt, sich mit der eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen.
Regisseur Jan Friedrich, der in dieser Spielzeit bereits das unglaublich sehenswerte Stück "Woyzeck" inszenierte, macht aus der Romanvorlage ein Geflecht aus verschiedenen Monologen und Szenenfragmenten.
Auf der Bühne wird dabei mit einer Live-Kamera gearbeitet, was dem Stück oft ein gruseliges und gleichzeitig intimes Flair verleiht. Zwar strotzt die Bühne nur so von schönen Kulissen und wertigen Kostümen, doch Friedrich lässt in diesem überemotionalen Stück seinem Ensemble den Vortritt.
Die sieben Schauspieler schlüpfen dabei abwechselnd in die Rolle der Hauptperson oder nehmen unterstützende Rollen ein, ohne den meisten Figuren jemals Namen zu geben.
"Blutbuch" handelt von Sex, Geschlechtern, Familie und Identität
"Blutbuch" schien bereits zur komplett ausverkauften Premiere das Publikum zu spalten und wird sicherlich auch künftig Theaterliebhaber polarisieren.
Einerseits kann das Stück nämlich mit - wirklich! - herausragenden Schauspielleistungen glänzen. Dabei kann keiner der Sieben nur allein hervorgehoben werden.
Iris Albrecht, Anton Andreew, Julia Buchmann, Marcel Jacqueline Gisdol, Oktay Önder, Michael Ruchter und Carmen Steinert - jeder einzelne von ihnen zeigt ein tolles Können in den Szenen, ob witzige oder skurrile Einschübe oder todernste Monologe.
Abgesehen davon ist "Blutbuch" ordentlich was fürs Auge. Das Schauspiel ist ein Feuerwerk an artistischer Expression, was sicherlich auch der Grund dafür war, weswegen schon in den ersten Sekunden des Applauses einige Zuschauer begeistert aufsprangen.
Ist "Blutbuch" am Theater Magdeburg einen Besuch wert?
Andererseits mag "Blutbuch" für einige, beziehungsweise wahrscheinlich sogar für sehr viele, Zuschauer schlicht eine Nummer zu schräg sein. Die Szenenfragmente hängen lose ohne klaren Handlungsstrang aneinander, was in den über zwei Stunden Spieldauer langwierig werden kann.
Das Stück wechselt blitzschnell von witzigen und ulkigen Szenen über verstörende Momente, die an alte Horrorfilme erinnern, bis hin zu teils unnötig obszönen Darstellungen.
Man muss schon Liebhaber der abgedrehten Kunst sein, um dieser Handlung und Inszenierung etwas abgewinnen zu können.
Fazit: "Blutbuch" am Theater Magdeburg ist wahrscheinlich eines der experimentellsten Stücke, die das Schauspielhaus in letzter Zeit vorgelegt hat. "Blutbuch" überzeugt mit großer Schauspielkraft, wichtigen, tiefgründig erarbeiteten Themen und einer wahnsinnig kreativen Inszenierung. Das Schauspiel wird sicherlich nicht den Geschmack jedes Zuschauers treffen, aber welches Schauspiel tut das schon? Wenn man etwas sehen will, was man noch nie gesehen hat, dann muss es "Blutbuch" sein. Gebt ihm eine Chance und lasst Euch überraschen, denn das werdet Ihr sein!
Weitere Vorstellungen von "Blutbuch" findet Ihr auf dem Spielplan des Theaters. Tipp: Schaut Euch vorher die Trigger-Warnungen an!
Titelfoto: Bildmontage: Theater Magdeburg/Kerstin Schomburg