Wer heizt heute noch mit Kohle? "Die Leute hatten einfach Angst zu erfrieren"
Leipzig - Immer weniger deutsche Haushalte heizen mit Kohle. Nach Ausbruch des Krieges in der Ukraine nahm die Nachfrage zu - und damit auch die Arbeit für Händler: Wo heute noch Kohle in den Keller geschafft wird.
Es sei Panik gewesen, die die Menschen im vergangenen Jahr dazu gebracht habe wieder mit Kohle zu heizen, sagt Brennstoffhändler Jürgen Enzel. "Die Leute hatten einfach Angst zu erfrieren. Im Vergleich zu letztem Jahr haben wir jetzt nur noch rund 70 Prozent der Nachfrage." Auch im Vergleich zum Niveau der vergangenen Jahre sei es weniger geworden. "Noch so 85 Prozent."
Es sind nicht viele Haushalte in Deutschland, die noch mit Kohle heizen. Laut Statistischem Bundesamt waren es im ersten Halbjahr 2022 rund 0,5 Prozent. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft spricht für das Jahr 2019 von 0,6 Prozent und damit rund 100.000 Wohngebäuden, die mit Kohle geheizt wurden.
Aufgrund der langen Austauschzyklen von Heizungen wandle sich der Wärmemarkt nur sehr langsam, erklärt eine Sprecherin des Verbands. Die Zahlen seien deshalb auch heute noch weitestgehend aktuell.
Im vergangenen Jahr haben sich auch bei dem Leipziger Kohlehändler Peter Bosse (61) deutlich mehr Menschen gemeldet als noch in den Jahren zuvor. Eigentlich wollte er es entspannter angehen, erzählt er, während er gemeinsam mit einem seiner zwei Mitarbeiter einen Sack Kohle nach dem nächsten in den Keller eines Wohnhauses im Osten Leipzigs entleert. Immerhin sei er seit mehr als 40 Jahren im Geschäft.
"Mit Ausbruch des Krieges in der Ukraine war nichts mit Entspannung. Ich hätte nicht gedacht, dass wir nochmal so ranmüssen."
"Umweltfreundlich ist das nicht, aber für uns nun mal die billigste Art zu heizen"
Während früher vor allem Rentner und Studierende bei "Kohlenpeter" - so der Name von Bosses Handel - bestellten, seien jetzt zum Beispiel auch Professoren unter seinen Kunden. Die Brille, die Hände, die Hose und das Gesicht von "Kohlenpeter" sind schwarz. "Ich bin eben das schwarze Schaf der Familie", sagt Bosse mit einem Grinsen im Gesicht.
"Ich weiß, umweltfreundlich ist das nicht, aber für uns nun mal die billigste Art zu heizen", sagt ein Anwohner, der mit seinem Fahrrad aus der Tür des Hauses kommt, das Bosse und sein Mitarbeiter gerade beliefern.
Im Haus müssten die Heizungsrohre erneuert werden, um alternativ heizen zu können, erklärt er. Das könnten sich die Bewohnerinnen und Bewohner des Hauses jedoch nicht leisten. "Wir haben in den Wohnungen Öfen. So geht es auch."
24 Euro pro 50-Kilo-Sack verlangt Bosse für die Kohle. Sein Rücken habe sich damals schnell an die Schlepperei gewöhnt, nachdem er zuhause ausgebüxt sei und dann zufällig bei einem Kohlemann ausgeholfen habe.
Ein anderes Geschäft außer sein eigenes mit dem "schwarzen Gold" könne er sich heute nicht mehr vorstellen. "Ich bin mein eigener Chef. Was will ich mehr?"
Titelfoto: Waltraud Grubitzsch/dpa