Weniger Ukraine-Flüchtlinge kommen in Leipzig an: Helfer äußern Kritik
Leipzig - Seit Beginn des Krieges in der Ukraine hat sich der Hauptbahnhof in Leipzig zu einem wichtigen Umschlagplatz für Geflüchtete entwickelt – inzwischen kommen nach Einschätzung von Helfenden jedoch weniger Menschen an.
Am Samstag habe es den vorerst letzten Sonderzug gegeben, der Ukrainerinnen und Ukrainer aus Görlitz nach Leipzig gebracht habe, sagte Skadi Köhler von den Johannitern am Montagmorgen am Bahnhof. "Für Sachsen sind nach aktuellem Stand vorerst keine Sonderzüge mehr geplant."
Zuletzt hätten etwa 150 Menschen in den Zügen gesessen, anfangs seien es mehr als 400 gewesen.
Hauptamtliche Kräfte der Johanniter, Freiwillige der Initiative "Leipzig Helps Ukraine" und Ärztinnen und Ärzte arbeiten gemeinsam daran, den Geflüchteten bei der Ankunft so gut wie möglich zu helfen. Sie beantworten Fragen, wie es weitergeht, vermitteln Unterkünfte und kümmern sich um die Gesundheit der Menschen.
Neben Zelten im Westbereich des Bahnhofs finden Ukrainerinnen und Ukrainer vor allem im ehemaligen Fahrradladen einen ersten Ruheort. In einem provisorischen Zimmer können sie sich von Ärzten untersuchen lassen, die dort neben ihrem hauptamtlichen Job Schichten übernehmen.
"180 Ärzte sind hier im Einsatz", sagte die Koordinatorin Annegret Wilke. Die 37-Jährige ist derzeit in Elternzeit und stemmt die Koordination am Bahnhof, obwohl zu Hause ein sieben Monate altes Baby auf sie wartet, wie sie sagte.
Sachsens stellvertretender Ministerpräsident Wolfram Günther zu Besuch in Leipzig
Beim Termin am Montag machte Wilke deutlich, dass sich die Mediziner derzeit alleingelassen fühlten. "Alle Medikamente und Geräte hier haben wir als Spenden erhalten. Wir sind an keine Stelle angegliedert, es fehlt absolut ein Kostenträger und die rechtliche Absicherung", sagte sie.
Die Ärzte müssten eine eigene Berufshaftpflicht haben, um bei ihrem Engagement abgesichert zu sein. "Sogar die Parktickets am Hauptbahnhof müssen wir selbst bezahlen."
Sachsens stellvertretender Ministerpräsident Wolfram Günther (48, Grüne) kündigte bei seinem Besuch am Montag an, die Fragen nach besseren Hilfen des Freistaats in den Ukraine-Ausschuss der Landesregierung einzubringen. "Das habe ich so nicht gewusst, daher ist es wichtig, sich hier vor Ort die Fragen stellen zu lassen", sagte Günther und lobte ausdrücklich das Engagement der Freiwilligen.
Dass nur noch vereinzelt Menschen mit regulären Zügen ankommen, stellt die Helfenden zurzeit generell vor neue Herausforderungen. "Wir wissen gerade nicht, wie wir uns weiter aufstellen sollen", sagte der Freiwillige Robert Strehler, der laut eigenen Angaben seit fünf Wochen am Bahnhof Hilfsangebote koordiniert.
"Es gibt unendlich viel Hilfsbereitschaft. Aktuell ist der Bedarf an Hilfe aber nicht so groß, deshalb kommen auch weniger Freiwillige hierher." Am Bahnhof sind neben den Johannitern auch Freiwillige im Einsatz, die sich in der Initiative "Leipzig helps Ukraine" zusammengeschlossen haben.
Man müsse überlegen, welche Hilfen in Zukunft sinnvoll seien, sagte Strehler. "Manche Geflüchtete, die vor vier Wochen hier angekommen sind, fahren ein zweites Mal zum Bahnhof. Sie wissen, dass sie hier Hilfe bekommen", sagte er. Deshalb bleibe der Bahnhof ein zentraler Punkt für die Menschen aus der Ukraine.
Titelfoto: Sebastian Willnow/dpa-Zentralbild/dpa