Maler ist stinksauer! Mauerfall-Kunstwerk wird von neuer Mauer verdeckt

Leipzig - Das kunterbunte Wandbild "Friedliche Revolution" an den Brühl-Arkaden schuf Michael Fischer-Art (55), um den Fall der Mauer zu feiern. Jetzt muss der Künstler mit ansehen, wie sein Werk jeden Tag Stück für Stück hinter einer neuen Mauer verschwindet. Dabei sollte es gerettet und stückweise für einen guten Zweck verkauft werden.

Michael Fischer-Art (55) besuchte gestern die Baustelle, auf der eine Betonmauer vor seinem Wandbild jeden Tag wächst.
Michael Fischer-Art (55) besuchte gestern die Baustelle, auf der eine Betonmauer vor seinem Wandbild jeden Tag wächst.  © Ralf Seegers

Das 3000 Quadratmeter große Kunstwerk, das die Menschenmassen der Leipziger Montagsdemos zeigt, ist ein Touristenmagnet und gehört zu den meistfotografierten Motiven der Messestadt. Schon als das Bild 2009 entstand, war klar, dass die Baulücke daneben eines Tages geschlossen wird.

"Darum habe ich es auf einem abnehmbaren Untergrundgewebe gemalt", so der Künstler. "Ich wollte es, so wie der Bau wächst, etagenweise vorsichtig von der Wand trennen. Die Stücke sollten für einen guten Zweck verkauft werden. Das hätte rund drei Millionen Euro eingespielt. Ich habe Voranfragen aus Australien, Israel, den USA - aus der ganzen Welt."

Als im Frühjahr 2023 die Bauarbeiten für den Neubau eines Amano-Hotels begannen, schien alles ganz leicht. "Die Zusammenarbeit mit der Baufirma Züblin war gut. Ich habe Baustellenführungen gemacht, mit Kindern vor Ort gemalt. Es gab ein Projekt-Konzept zur Erhaltung des Bildes", so Fischer-Art.

Das riesige Kunstwerk "Friedliche Revolution" am Brühl in Leipzig ist ein beliebtes Fotomotiv.
Das riesige Kunstwerk "Friedliche Revolution" am Brühl in Leipzig ist ein beliebtes Fotomotiv.  © Ralf Seegers

Künstler darf nicht auf die Baustelle

Vor wenigen Tagen entdeckte der Künstler, dass direkt vor dem Wandbild bereits betoniert wird - und ist fassungslos: "Das ist Kulturbarbarei! Da wird an einem Tag ein Wert von 150.000 Euro einfach vernichtet. Ich darf nicht auf die Baustelle, um meine Arbeit zu retten."

Das Bauunternehmen Ed. Züblin AG wollte sich am gestrigen Dienstag nicht zu den Gründen äußern. Auch die Amano-Group ließ eine TAG24-Anfrage unbeantwortet. Der Künstler hofft derweil noch immer auf eine einvernehmliche Lösung: "Ich würde das Bild auch nach Feierabend von der Wand schneiden, damit es keinen Bauverzug gibt."

Kommentar von Mandy Schneider: Rettet die Revolution!

Ein Teil des Bildes ist bereits nicht mehr zu sehen.
Ein Teil des Bildes ist bereits nicht mehr zu sehen.  © Ralf Seegers

Symbolträchtiger geht es kaum: Das Wandbild "Friedliche Revolution", das die Freude über den Fall der Mauer farbenfroh in die Welt getragen hat, verschwindet ausgerechnet hinter einer neuen Mauer.

Womit der Künstler nicht gerechnet hat, ist der knallharte Zusammenprall zweier Welten. Die der Kunst: leidenschaftlich, frei, anarchisch, spontan. Und die Taktung einer Großbaustelle: mit 20.000 Bauvorschriften, Sicherheitsbestimmungen, Zuständigkeiten.

Das Ergebnis dieser missglückten Verständigung wird nicht nur den Künstler und jene, die auf den Erlös aus dem Verkauf der Bildteile hofften, traurig machen.

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Ein Kunstwerk, das Abertausende Menschen berührt und begeistert hat, ihnen im Gedächtnis geblieben ist, darf nicht einfach so verschwinden. Ich hoffe sehr, dass alle, die etwas dazu beitragen können, es auch tun.

Wenn viele ein Ziel haben, kann scheinbar Unmögliches doch Wirklichkeit werden. Das hat die friedliche Revolution gezeigt. Jetzt gilt es, die Revolution zu retten - zumindest ihr schönstes Bild.

Titelfoto: Montage: Ralf Seegers

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