Leipzig beschließt Straffreiheit für Schwarzfahrer: "Erwischen nicht die Trickser, sondern die Mittellosen"
Leipzig - Paukenschlag im Leipziger Rathaus: Mit knapper Mehrheit beschloss die Ratsversammlung am Mittwoch, dass Schwarzfahren in den Bussen und Bahnen der Leipziger Verkehrsbetriebe künftig nicht mehr strafbar sein soll. Gänzlich ungestraft kommen Leistungserschleicher aber trotzdem nicht weg.

Denn anders als die AfD direkt behauptete, ging es den Grünen mit ihrem Antrag nicht darum, Schwarzfahren zu legalisieren. Das erhöhte Beförderungsentgelt von 60 Euro ist auch in Zukunft fällig, wird man ohne Fahrschein erwischt. "Damit ist auch weiterhin eine negative Abschreckungswirkung durch Bestrafung gegeben", heißt es dazu im Antrag.
Rund 7000 Menschen gehen jedes Jahr deutschlandweit wegen Schwarzfahrens in Haft, erklärte Grünen-Stadträtin Chantal Schneiß während der Sitzung am Mittwoch. Oft treffe es dabei die Falschen.
"Wir erwischen nicht die Trickser, sondern die Mittellosen, die sich ohnehin in absoluter Not befinden. Die Praxis führt dazu, dass wir diejenigen bestrafen, die am wenigsten haben. Es ist eine Bestrafung von Armut."
Gerichte würden mit Fällen überschwemmt, hinzu kommen die Kosten für den Prozess und die Haftstrafe. "Wer glaubt, das rentiert sich, irrt sich."
Andere Städte, darunter Bremen und Köln und sogar Dresden und Halle, verzichten bereits darauf, Schwarzfahrer anzuzeigen. Leipzig könne nun nachziehen und sich ebenfalls in die Liste der Vorreiter einreihen. "Die LVB haben die Freiheit, zu entscheiden, wann sie Strafanzeige stellen. Wir fordern sie auf, diese Freiheit zu nutzen."
Grüne: "Für Fahren ohne Fahrschein sollte niemand ins Gefängnis müssen"

Tatsächlich würden die LVB bereits jetzt nur Anzeige gegen Wiederholungstäter erstatten, wie die Leipziger Volkszeitung berichtete. "Und zwar konkret dann, wenn jemand innerhalb kurzer Zeit zum dritten Mal ohne gültigen Fahrschein in Bussen oder Straßenbahnen angetroffen wird", heißt es.
Im Jahr 2023 habe dies 1700 Schwarzfahrer betroffen.
Die bisherige Praxis der LVB dürfte nun bald der Vergangenheit angehören, auch wenn der Beschluss in der Sitzung auf einigen Widerstand gestoßen war. Neben der AfD, die direkt von der Legalisierung von Schwarzfahren wetterte, sprach sich auch FDP-Stadtrat Sven Morlok gegen den Antrag aus.
Morloks Argumentation: "Wenn man der Auffassung ist, dass Schwarzfahren nicht bestraft werden sollte, weil Menschen sich das Ticket nicht leisten können, dann sollte auch der Diebstahl von Lebensmitteln nicht bestraft werden. Dann sollte auch der Diebstahl von Kleidung nicht bestraft werden. Das kann doch nicht unsere Gesellschaft sein."
Grünen-Fraktionschefin Kristina Weyh erklärte noch einmal, dass es lediglich darum gehe, ein Vergehen nicht wie bisher als Straftat, sondern als Ordnungswidrigkeit zu behandeln. "Das ist Verhältnismäßigkeit. Für Fahren ohne Fahrschein sollte niemand ins Gefängnis gehen müssen, genauso wenig, wie sie es jetzt für Parken ohne Parkschein müssen."
Titelfoto: Christian Grube