"Hauptsache nicht in meiner Nachbarschaft": Wohin mit den Geflüchteten in Leipzig?

Leipzig - In den vergangenen Monaten hat die Anzahl an Geflüchteten in der Messestadt stark zugenommen, 2023 werden knapp 3300 Menschen in Leipzig erwartet. Doch wo sollen diese unterkommen? Und wie will die Stadt den Unmut der Bürger über potenzielle neue "Nachbarn" besänftigen? In der Ratssitzung wurde am Mittwoch darüber intensiv diskutiert.

Sozialbürgermeisterin Martina Münch (61, SPD) gab den Stadträten eine Übersicht über aktuelle Zahlen.
Sozialbürgermeisterin Martina Münch (61, SPD) gab den Stadträten eine Übersicht über aktuelle Zahlen.  © picture alliance/dpa

Sozialbürgermeisterin Martina Münch (61, SPD) gab zunächst eine Übersicht über die Lage in der Stadt.

"Die Stadt Leipzig rechnet damit, dass wir 2023 knapp 3300 Menschen zusätzlich in Gemeinschaftsunterkünften unterbringen müssen. Das sind 850 Menschen mehr als im vergangenen Jahr, aber auch noch weniger als zum Höhepunkt der Zuwanderung in 2015", so die Sozialbürgermeisterin über aktuelle Zahlen.

2015 waren 4230 Menschen in die Messestadt gekommen.

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Ein großes Problem sei dabei vor allem die Unterbringung der Geflüchteten. Diese sollen zwar zunächst in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden, schnellstmöglich aber samt Mietvertrag in preiswerte Wohnungen ziehen.

"Die Mietsituation ist angespannt. Die Wohnungen, die unseren Richtwerten für die Kosten entsprechen, werden beispielsweise auch von Rentnern und Studierenden stark nachgefragt", schilderte Münch die Problematik.

Somit rechne man 2023 nur mit knapp 500 Auszügen aus den Gemeinschaftsunterkünften in Wohnungen - dort stauen sich aktuell die neu ankommenden Schutzsuchenden.

Bürgerbeteiligung bei Standortsuche für Unterkünfte nicht möglich

In Leipzig-Stötteritz gab es am vergangenen Wochenende einen Tag der offenen Tür in einer neu entstandenen Zeltstadt.
In Leipzig-Stötteritz gab es am vergangenen Wochenende einen Tag der offenen Tür in einer neu entstandenen Zeltstadt.  © Anke Brod

Die Kapazitäten für Gemeinschaftsunterkünfte müssen also dringend erweitert werden.

Zuletzt wurden laut den Angaben 124 Immobilien geprüft, von denen aber alleine schon 51 wegen beispielsweise zu hoher Kosten oder baurechtlichen Hindernissen nicht geeignet für Baumaßnahmen seien.

Zelt- und Container-Städte, wie sie jüngst in Stötteritz geöffnet wurden, seien teuer und nicht optimal.

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Den Vorwurf aus der Bevölkerung, nicht rechtzeitig über neue Standorte informiert zu werden, könne man in der Stadt daher nicht verstehen.

"Wir halten es nicht für nötig, alle angedachten Unterkünfte vor einer konkreten Zusage anzukündigen. Auch gibt es bei der Standortsuche keinen Prozess der Bürgerbeteiligung", stellte Münch klar.

Eine solch schwierige Standortsuche sollte laut CDU-Fraktion nicht auf den Schultern von Stadt und Kommunen ausgetragen werden müssen.

"2015 haben wir die Lage bewältigt, weil Wohnungsleerstand bestand, der jetzt aber aufgebraucht ist. Die Landkreise und Kommunen haben keinen Platz und müssen dieser Pflichtaufgabe trotzdem nachkommen", kritisierte Stadtrat Michael Weickert.

OB Jung: "Erwarte, dass alle hinter dem Grundgesetz stehen!"

Linken-Politikerin Juliane Nagel (44) sprach sich für mehr Solidarität der Leipziger gegenüber der Geflüchteten aus.
Linken-Politikerin Juliane Nagel (44) sprach sich für mehr Solidarität der Leipziger gegenüber der Geflüchteten aus.  © Screenshot/Livestream

Vielmehr müsse stärker geprüft werden, wer denn nach Deutschland einreise - es sei eine fatale Botschaft, dass jeder kommen dürfe, nicht nur Kriegsflüchtlinge.

Auch die AfD sprach sich für einen effektiveren Grenzschutz Sachsens aus, um den sozialen Frieden zu wahren. "Wir haben keinen Platz mehr. Das Boot ist voll!", statuierte AfD-Stadtrat Siegbert Droese.

Vonseiten der SPD und Linken gab es Lob bezüglich der aktuellen Anstrengung der Stadtverwaltung und ein Aufruf zur Besinnung auf das Wesentliche.

"Asyl ist ein Menschenrecht. Denkweisen wie 'Hauptsache nicht in meiner Nachbarschaft' sind nicht zu dulden", unterstrich etwa Linken-Stadträtin Juliane Nagel (44).

Und auch OB Burkhard Jung (65, SPD) fand abschließend klare Worte, vor allem für die Beschwerden der Bürger über bereits geplante Bauprojekte für Unterkünfte, wie zum Beispiel in Böhlitz-Ehrenberg oder Wiederitzsch.

"Ich habe kein Verständnis dafür, wenn man sich darüber beschwert, dass 40 Menschen in die Nachbarschaft ziehen. Von den anwesenden Stadträten erwarte ich, dass alle hinter dem Grundgesetz stehen und alles dafür tun, dass Schutzbedürftige hier aufgenommen werden", so der OB.

Titelfoto: picture alliance/dpa

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