Leipzig - Die Ratsversammlung der Messestadt setzt sich für gewöhnlich mit Themen wie dem Bau von Schulen, Ehrenwürden für Bürger oder dem Haushalt auseinander. Das Bündnis Sahra Wagenknecht fuhr am Mittwoch jedoch die großen Geschütze auf und schürte gleich mal die Angst vor einem Atomkrieg. Die Reaktion im Stadtrat hätte kaum deutlicher sein können.
Angesichts weiterer Eskalationen in Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine wollte die Fraktion wissen, wie gut die Stadt im Falle eines Atomschlags auf den Schutz ihrer Bevölkerung vorbereitet ist. Die Wagenknecht-Anhänger könnten sich im Kriegsfall einen Angriff Russlands gegen den Flughafen Leipzig/Halle vorstellen, um diesen als Logistikzentrum für die NATO auszuschalten.
Wie viele Opfer wären unmittelbar zu erwarten? Wie würde sich der Fallout auf die Stadt auswirken? Wie bereitet sich die Stadt auf den Ernstfall vor und wie viele Schützräume stünden dann zur Verfügung? All das und mehr wollte die Fraktion in ihrer Anfrage erfahren und am liebsten gleich noch Modelle zu verschiedenen Angriffsszenarien erstellen.
Das Ordnungsamt lieferte darauf eine klare Antwort: Die Auswirkungen eines Atomschlags auf Bevölkerung und Infrastruktur seien so katastrophal, "dass sie durch planmäßige behördliche Maßnahmen im Kontext der Katastrophenvorsorge und des Zivilschutzes nicht beherrschbar sind." Eine Detailbetrachtung werde deshalb nicht durchgeführt.
BSW-Stadtrat Ringo Haustein wollte die Sache damit jedoch nicht auf sich beruhen lassen und hakte in der Ratsversammlung nach.
"Ich finde Ihre Frage Ängste schürend und unangebracht"
Der Stadtrat haderte offenbar mit der Formulierung "nicht beherrschbar". "Ich glaube, man drückt sich vor klaren Zahlen und Fakten. Welche Sachgründe stehen denn einer Modellierung entgegen?"
Auch, inwiefern die Stadt bereits in die neuen Bunker-Pläne des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz (BBK) involviert ist, wollte Haustein wissen. "Wissen Sie, wie viele Bunker gebaut werden sollen? Sprechen wir von einer Überlebensrate von zehn Prozent? Von 15 Prozent?"
Ordnungsbürgermeister Heiko Rosenthal (50, Linke) erklärte noch, dass der Stadt seitens des BBK nichts bekannt sei. Mehrere Stadtratsmitglieder hatten derweil bereits ihren Unmut angesichts der Panikmache zum Ausdruck gebracht. Dann schaltete sich auch Oberbürgermeister Burkhard Jung (66, SPD) ein.
"Ich finde Ihre Frage Ängst schürend und unangebracht", sagte das Stadtoberhaupt. "Ich glaube, allen hier ist klar: Ein Atomschlag erübrigt jede Diskussion. Dann ist das grauenhafteste Szenario eingetreten, das wir uns vorstellen können."
Der Stadtrat kehrte kurz darauf zur Tagesordnung zurück.