Bürgerentscheid in Neukieritzsch: Kippen Naturschützer Sachsens größtes Energiewende-Projekt?
Neukieritzsch - Anwohner gegen Investoren, grüner Strom gegen grüne Umwelt: Am Sonntag entscheiden die wahlberechtigten Einwohner der Gemeinde Neukieritzsch (Landkreis Leipzig) via Bürgerentscheid, ob auf ihrem Gebiet ein weiterer Solarpark und eine Wasserstoffproduktion nebst Rechenzentrum entstehen können. Auf einem ehemaligen Braunkohle-Areal, das eigentlich renaturiert werden sollte.
Wenn Wolfgang Pielmaier (60) vom Energiepark Witznitz spricht, dann schwärmt er vom "größten, nicht staatlich geförderten Solarpark Deutschlands". Auf 500 Hektar wurden im Leipziger Neuseenland 1,1 Millionen Solarpanele verbaut, die einmal 650 Megawatt Strom produzieren sollen. Nicht für die umliegenden Städte, sondern größtenteils für den Mineralölkonzern Shell, der damit seine Handelsbilanz "aufgrünen" will.
Nun treibt Projektentwickler Pielmaier die nächsten Investments voran. In der Nachbarschaft zu Witznitz soll mit dem Energiepark Kleinzössen ein weiterer, 85 Hektar großer Solarpark entstehen.
Südlich davon soll zeitgleich der "Green Power Park" gebaut werden. Dessen Herzstück ist eine Wasserstoffproduktion für einen benachbarten Energiespeicher. Dieser wiederum soll ein ebenfalls hier geplantes IT-Rechenzentrum mit "grünem Strom" speisen.
"Durch die Verbindung Energiepark Kleinzössen mit 'Green Power Park' werden wir hier das erste grüne Rechenzentrum haben", erklärt Pielmaier.
Renaturierung der Tagebaulandschaft war bereits angelaufen
Während die Gemeindevertretung den Projekten des bayerischen Geschäftsmannes und seiner Finanzinvestoren positiv gegenüber steht und ihm bereits im Juni 2023 mit entsprechenden Ratsbeschlüssen den Weg ebnete, kommt aus der Bürgerschaft Widerstand.
Eine Bürgerinitiative hat so viele Unterschriften gesammelt, dass es am Sonntag zum Bürgerentscheid kommt, der die vier maßgeblichen Ratsbeschüsse und damit Pielmaiers Projekte kippen könnte.
Die Initiatoren, die als Imker seit Jahren auch im Naturschutz engagiert sind, beklagen den enormen Flächenverbrauch der "grünen" Investments. Denn eigentlich war die Renaturierung der einstigen Tagebaulandschaft bereits angelaufen.
"Es leuchtet uns nicht ein, warum Landwirtschafts-, Wald- und Wiesenflächen überbaut werden müssen, um erneuerbare Energien zu produzieren", argumentiert die Bürgerinitiative. Zudem hätten sich dort geschützte Arten angesiedelt.
Bei einem Bürgerentscheid ist der zur Abstimmung gestellte Vorschlag angenommen, wenn er die Mehrheit der gültigen Stimmen erhält und diese Mehrheit mindestens 25 Prozent der Stimmberechtigten beträgt. In Neukieritzsch wären das rund 1400 Stimmen.
Titelfoto: Silvio Bürger