Leipzig - Sachsens größte Stadt ist eine geteilte Stadt. Wie eine unsichtbare Mauer trennt das Wahlergebnis in Leipzig den blauen Norden (Wahlkreis 151) vom tiefroten Süden (152). Der ist nunmehr die letzte andersfarbige Trutzburg im AfD-Land Sachsen. Was vor allem an einem roten Bären liegt.
Der Leipziger Norden und der Plattenbau-Westen - das ist die traditionelle Wohngegend der Menschen, die in der Automobilindustrie, bei Zulieferern, in Gießereien und der Logistikbranche ihr Geld verdienen.
Hier spiegelt das Wahlergebnis nahezu den sächsischen Durchschnitt. Die AfD holte die meisten Zweitstimmen (25,3 Prozent), ihr Bewerber Christian Kriegel (25,0) luchste der CDU erstmals das Direktmandat ab.
Doch freuen konnte sich der 68-Jährige darüber nicht allzu lange. Denn Kriegel ist Sachsens erstes Opfer der neuen Wahlrechtsreform, die den Wahlkreis-Gewinnern mit den schwächsten Ergebnissen den Weg in den Bundestag versperrt, wenn die jeweilige Partei nicht genügend Zweitstimmen bekommt, um alle Direktkandidaten ergebniskonform unterzubringen (Wegfall der Überhangmandate).
Dieses Problem hat Sören Pellmann (48, Linke) nicht. Der Grundschullehrer - politischer Kampfname "Roter Bär" - hat nach 2017 und 2021 zum dritten Mal das Direktmandat im Süden geholt. Mit einem regelrechten Durchmarsch - am Ende standen 36,8 Prozent!
Und nicht nur das: Mit einem wahren Materialschlacht-Wahlkampf, der sich vordergründig gegen die AfD richtete, in Wirklichkeit aber ein knallharter linker Haken gegen die Grünen war, zog Pellmann auch die Zweitstimmen nach ganz oben (23,9 Prozent).
Dunkelrot scheint das neue Grün
Nicht nur die studentischen Milieus im Süden und Osten wählten tiefrot. Auch der früher traditionell grün votierende "Latte Macchiato"-Gürtel rund ums Zentrum, wo überwiegend Akademiker-Familien in schicken Gründerzeithäusern leben, wechselte diesmal die Farbe. Dunkelrot scheint hier das neue Grün zu sein.
Auch wenn Pellmann nach seinem furiosen Wahlsieg Sonntagnacht grinsend mit rotem Boxhandschuh posierte - politisch ist er weder ein Haudrauf noch gehört er zu den Krawall-Linken.
Wie einst sein Vater Dietmar (1950-2017), der als engagierter Kommunalpolitiker und Landtagsabgeordneter über Parteigrenzen hinweg Respekt genoss, fährt er eine moderate und sachorientierte Linie jenseits von Heidi-Kult und Connewitzer Barrikaden-Style.
Was ihn auch in bürgerlichen Milieus fernab einer marxistisch-leninistischen Weltanschauung wählbar macht. Die Bundestagswahl ist ein Beleg dafür.