Parkstadt Leipzig birgt dunkles Kapitel: Hier wurden vor 80 Jahren Hunderte Kinder ermordet
Von Anke Brod
Leipzig - Im Juni verabschiedete die Leipziger Ratsversammlung den Bebauungsplan zur "Parkstadt Dösen" im Stadtteil Meusdorf. Auf dem 14,6 Hektar großen Areal des ehemaligen Park-Krankenhauses Dösen entstehen 600 Wohnungen inklusive 60 Neubauten sowie 90 sozial geförderten Objekten. Nun beschlossen die Ratsmitglieder, dass hier in "angemessener, aber deutlich sichtbarer Form" der Geschichte der Nervenheilanstalt in der NS-Zeit und den Opfern der "Kinder-Euthanasie" gedacht werden soll.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hatte die entsprechende Vorlage eingereicht. Laut Ratsbeschluss soll außerdem dem ab 1939 dort untergebrachten israelitischen Krankenhaus sowie den von dort in die Konzentrationslager deportierten Mitarbeitern und Patienten gedacht werden. Dafür seien Gedenkstellen geplant.
Laut Antragsbegründung leitete der Arzt Hermann Paul Nitsche die Klinik von 1918 bis 1928 und von Januar bis April 1940 erneut.
Er soll im Vorfeld der nationalsozialistischen "Kinder-Euthanasie" mit Assistenz der Oberärzte Georg Renno und Herbert Schulze in Dösen ein Vergiftungsschema mit Luminal, einem Arzneistoff aus der Gruppe der Barbiturate, entwickelt und "erprobt" haben.
Die betroffenen Kinder erhielten über mehrere Tage hinweg leicht überdosierte Luminalgaben.
Mit einer zeitgleichen, systematischen Unterernährung habe dies in kurzer Zeit zum Tod der Opfer durch Lungenentzündung geführt, hieß es.
551 Kinder und Jugendliche systematisch umgebracht
Nitsches Nachfolge als Direktor übernahm später Emil Eichler. Unter seiner Leitung wurde auf Initiative des Kinderarztes Werner Catel im Oktober 1940 eine kinderpsychiatrische Abteilung eingerichtet.
Und dann geschah das unglaubliche Verbrechen.
"In dieser vom Arzt Arthur Mittag geleiteten 'Kinderfachabteilung' wurden zwischen November 1940 und 7. Dezember 1943, dem Tag der Verlegung der Kinderfachabteilung in die Landesanstalt Großschweidnitz bei Löbau, 551 Kinder und Jugendliche nach Nitsches 'Luminal-Schema' systematisch ermordet", heißt es in den Ausführungen.
Hermann Paul Nitsche wurde im Dresdner Euthanasie-Prozess 1947 zum Tode verurteilt.
Die furchtbare, systematische Ermordung psychisch kranker Kinder ist mit dem Ort untrennbar verbunden. Daher wird das dunkle Kapitel nun beschlossenermaßen in die Erinnerungskultur der Stadt Leipzig einfließen.
Titelfoto: Bildmontage/Anke Brod