Mann mit Gemüsemesser getötet: Nachbarin wird Zeugin des Streits im Leipziger Süden
Leipzig - Zweiter Verhandlungstag im Prozess um den Gemüsemesser-Stich ins Herz eines Mannes in der Leipziger Südvorstadt: Michael O. (60) muss sich wegen Totschlags vor dem Landgericht verantworten. Am Dienstag haben unter anderem Nachbarn ausgesagt - sie zeichneten das Bild eines von Auseinandersetzungen geprägten Alltags im Hof des Mehrfamilienhauses an der Richard-Lehmann-Straße.
"Plötzlich haben wir gehört, dass es zu einem Streit gekommen ist", erinnert sich eine Zeugin (35) an jenen tödlichen Nachmittag des 8. September im vergangenen Jahr. Die Anwohnerin aus einem anderen Haus habe mit ihrem Mann und ihrer Tochter im Garten Kaffee getrunken. Im Eingang des hinter einem Zaun und mehreren Bäumen liegenden Mehrfamilienhauses hätten sich zwei Männer gegenübergestanden - der Angeklagte und der später Verstorbene.
Sie habe die beiden Männer und eine offenbar dazugehörige Frau nur vom Sehen gekannt, Streitereien aber häufiger mitbekommen. Dabei sei es um Zutritt und Schlüssel zu dem Haus gegangen. Möglicherweise seien auch eine Liebschaft und Eifersucht im Spiel gewesen - dazu könne sie aber nur mutmaßen.
An jenem Septembertag habe es für sie so ausgesehen, als ob Michael O. seinem Streitgegner einen Schubs gegen den Oberkörper gegeben habe, der daraufhin zurückgetaumelt sei und "Aua, Aua" gerufen habe - "nach einem schmerzverzerrten Schrei" habe das für sie aber nicht geklungen. Als schließlich Polizei und Krankenwagen kamen, sei sie stutzig geworden.
Streitereien laut Zeuge "business as usual"
Auch ihr Ehemann (41) sagte aus: Er habe mit dem Rücken zur Szenerie gesessen und nichts gesehen, nur die laut schreienden Männerstimmen gehört. Doch das sei "business as usual" gewesen. Eine körperliche Auseinandersetzung habe er aber nie beobachtet, deshalb sei er auch nicht besorgt gewesen.
Einmal habe der 41-Jährige bei einem der vielen Konflikte mitbekommen, dass der Angeklagte den anderen Mann zum Verlassen des Grundstücks aufgefordert habe.
Eine weitere Anwohnerin (43) erklärte vor Gericht, sie kenne den Angeklagten vom Hallo sagen - "Er war immer ganz nett". Zudem habe er sich um die im Rollstuhl sitzende Mieterin gekümmert, die Michael O. in seiner Aussage am ersten Prozesstag als Lebensgefährtin bezeichnet hatte - ob die beiden ein Paar oder nur Freunde gewesen seien, wisse sie nicht.
Über den Verstorbenen habe die Mieterin der 43-Jährigen einmal erzählt, dass er wegen eines eingeschlagenen Fensters Hausverbot habe.
Am Tattag habe die 43-Jährige ihre Tochter aus dem Kindergarten abgeholt, es sei viel Polizei vor Ort gewesen und sie habe Michael O. zufällig an einer Haltestelle getroffen. Er habe angetrunken gewirkt, gelacht und gesagt: "Ich sehe mir das alles von hier aus an".
Messer aus Hosentasche oder Wohnung?
Ein 54-Jähriger, der Michael O. auch ein Zimmer untervermietet habe, beschrieb den Angeklagten als "sehr hilfsbereit" und betonte ebenfalls die Fürsorge für die an Krebs erkrankte und mittlerweile verstorbene Mieterin.
Den Verstorbenen schilderte er als "1,90 Meter großen Hünen" und als "wahrscheinlich obdachlos".
Wie ihm der Angeklagte berichtet habe, soll das Opfer in dem Mehrfamilienhaus an der Richard-Lehmann-Straße Schlösser mit Sekundenkleber zugeklebt, eine Scheibe eingeschlagen und Michael O. regelmäßig tyrannisiert haben.
Auch während eines Gefängnis-Besuchs bei dem in Untersuchungshaft sitzenden Angeklagten habe Michael O. über den Tattag erzählt, dass der Mann ihn bedroht habe, ihn fertig machen wollte - aus Angst und zur Selbstverteidigung habe er das Messer aus der Wohnung der Frau geholt. Er habe den Streitgegner wegscheuchen wollen - doch der sei in das Messer gelaufen.
Der Angeklagte selbst hatte am ersten Prozesstag ausgesagt, dass ihm das Messer aus der Hose gefallen sei.
Der Prozess wird am 20. März fortgesetzt.
Titelfoto: Christian Grube