Plagiatsaffäre an der Uni Leipzig: Wer den Betrügern auf die Schliche kam
Leipzig - Wurde an der Universität Leipzig systematisch Betrug bei Doktorarbeiten begangen? Nachdem das Institut am Mittwoch das Vorliegen von fünf Verdachtsanzeigen bestätigte, zieht die Affäre immer weitere Kreise. "MDR Exakt" hat mit einem der Akademiker gesprochen, die den Fall aufgedeckt haben.
"Wir sind auf Fälle gestoßen, bei denen wir davon ausgehen müssen, dass sich Akademiker Doktortitel erschlichen haben. Wir gehen inzwischen von mehreren Verdachtsfällen aus", erklärte der Mann, der in dem Beitrag nur Felix genannt wurde, um unerkannt zu bleiben.
Felix gehöre zu einem Netzwerk von Akademikern, das seit fast einem Jahr an der Aufklärung der Plagiatsaffäre arbeite. Die Uni Leipzig hatte sich am Mittwoch erstmals öffentlich zu den Fällen geäußert, nachdem zuvor der MDR berichtet hatte. Erste Hinweise sollen die Universität demnach bereits im Mai 2023 erreicht haben.
Auslöser für die Nachforschungen war Felix zufolge der Fall eines Physikers, der auf rätselhafte Weise zu seinem Doktortitel gekommen sein soll. "Im Fall von Herrn G. gibt es Merkwürdigkeiten. Der Doktorand soll längere Zeit im Krankenhaus gewesen sein. Gleichzeitig will er aber eine Doktorarbeit in Physik geschrieben haben", schildert er bei "MDR Exakt". "Es war uns unbegreiflich, wie er das gemacht hat. Und da haben wir angefangen zu recherchieren."
Auf der Suche nach einer Erklärung wurden Felix und seine Mitstreiter schnell fündig. G. soll vor Jahren zusammen mit mehreren Physikern, darunter auch Professoren, einen Fachartikel geschrieben haben. "Und jetzt wird es spannend: Wir haben mal den Artikel mit der Doktorarbeit verglichen. Er hat den ganzen Beitrag kopiert und in seine Promotionsarbeit eingefügt."
Doktorarbeit von Herrn G. nicht der einzige Fall
48 Seiten soll der Artikel umfasst haben, allesamt kopiert und als alleinige Leistung ausgegeben worden sein.
Genau da liege jedoch das Problem, wie auch der Nürnberger Plagiatsexperte Martin Heidingsfelder erklärte. "Dass man nicht erkennen kann, was der Eigenanteil des Absolventen ist, denn für ihn ist es ja eine Prüfungsleistung. Wenn da jetzt zehn Mitautoren sind und er hätte nur zehn Prozent der Arbeit gemacht, [...] das muss gekennzeichnet werden."
G. war jedoch nicht der einzige Fall. Felix und seine Mitstreiter stießen bei ihrer Recherche auf weitere, ähnlich gestrickte Doktorarbeiten. "Auffällig ist hier die theoretische Physik, Lehrstuhl von Professor K."
Der Professor habe nicht nur mit seinen Studenten Fachartikel geschrieben. Er betreute auch die Doktorarbeiten, bei denen später seitenweise aus den gemeinsamen Fachartikeln kopiert wurde. "Das ist, wie wenn man eine Klassenarbeit schreibt und mehrere Lehrer schreiben mit."
Plagiatsexperte über die Affäre: "Da werden bestimmt einige Köpfe rollen"
Die Universität geht den Hinweisen inzwischen nach und prüfe sie. "Da geht es im Grunde darum, dass nicht die Regeln des guten wissenschaftlichen Arbeitens eingehalten wurden, was Zitierungen angeht", so Professor Jens-Karl Eilers, Prorektor Universität Leipzig.
Sollte sich ein Fall bestätigen, könnten die Folgen von arbeitsrechtlichen über akademische bis hin zu strafrechtlichen Konsequenzen reichen.
"Bisher gehört das zu den größeren Skandalen im Wissenschaftsbereich. Wie groß die Dimension tatsächlich ist, wird erst bekannt sein, wenn alle Dissertationen aus diesem Fachbereich und von den betreffenden Leuten untersucht worden sind. Da werden bestimmt, nach meiner Auffassung, einige Köpfe rollen", sagte Martin Heidingsfelder.
Titelfoto: Christian Grube