Leipzig: Dubioser Immobilien-Deal sorgt für Anwohner-Proteste
Leipzig - Wilde Grundstücksspekulationen, maximale Verdichtung und immer mehr Flächenversiegelung - das ist die negative Seite von Leipzigs Wachstum. Ein geradezu irrwitziger Fall bringt Anwohner in Leutzsch aktuell auf die Palme. Dort wollen Immobilien-Goldgräber ein kleines Eigenheim durch eine Reihenhaus-Anlage ersetzen.
Das Areal zwischen Mathiesenstraße und Harfenacker war früher eine Pferdekoppel. In den 1970er Jahren ließen dann Volkseigene Betriebe wie die GISAG und das Spezialbaukombinat Arbeiter-Familien mit mindestens drei Kindern hier auf kleinen Grundstücken Eigenheime errichten. Zumeist im eher bescheidenen Bungalow-Stil.
Unter recht merkwürdigen Umständen wechselte nun ein solches Eigenheim den Besitzer.
"Eine Maklerin hatte sich bei den alten Leuten als Privatperson das Vertrauen erschlichen, um das Haus angeblich für sich zu erwerben", berichtet Anwohnerin Gabriele Frauendorf (54). Doch in Wirklichkeit vermittelte die Dame das rund 600 Quadratmeter große Grundstück an die Reinbau GmbH.
Bei der Firma handelt es sich um einen der expansivsten Immobilienentwickler der Stadt.
Und so entdeckten die Anwohner im Internet schon bald das Exposé einer "WestTownHouse"-Anlage an jener Stelle, wo noch das kleine Eigenheim stand.
"Kein Rei(he)nbau": Gegen die neue Anlage regt sich lebhafter Protest
Auf den rund 600 Quadratmetern will Reinbau dem Exposé zufolge einen aus drei Reihenhäusern bestehenden Komplex errichten - mit Terrassen und Autostellplätzen.
"Der ganze Garten wird überbaut und versiegelt", beklagt Modedesignerin Frauendorf, die inzwischen die Anwohner-Initiative "Kein Rei(he)nbau" anführt. Mit einer Firsthöhe von über neun Metern und der bunkerartigen Investoren-Architektur sei die mehrgeschossige Anlage auch alles andere als eine ortstypische Bebauung.
Das fand anfangs auch das Stadtplanungsamt Leipzig, wie aus einem Schriftwechsel hervorgeht. Der zuständige Sachgebietsleiter bewertete die Bauplanung im März 2020 noch als "planungsrechtlich unzulässig", ein erster Bauantrag von Reinbau wurde im November 2020 auch abgelehnt.
Doch nur vier Monate später gab die Stadt dann doch grünes Licht. Die Planungen seien durch den Bauherren abgeändert worden, erklärte das Amt für Bauordnung und Denkmalpflege auf TAG24-Anfrage. Die Frage, was konkret geändert wurde, wollte die Stadt aus "datenschutzrechtlichen Gründen" nicht beantworten. Die Reinbau GmbH ließ eine Anfrage von TAG24 komplett unbeantwortet.
Randnotiz: Die Baugenehmigung wurde von jenem Stadt-Mitarbeiter erteilt, gegen den aktuell die Soko Linksextremismus des Landeskriminalamtes ermittelt.
Falsche Adressen: Anwohner versäumten Widerspruchsfrist
Merkwürdig auch: Die nach Baurecht vorgeschriebene Information der Nachbarn über die erteilte Baugenehmigung wurde von der Stadt sämtlichst an alte, nicht mehr gültige Adressen verschickt, sodass sie die Betroffenen nie erreichten.
So versäumten alle Nachbarn die Widerspruchsfrist. Inzwischen hat die Stadt die "Panne", die laut Bauordnungsamt durch die Übermittlung veralteter Nachbarangaben durch den Bauherrn entstanden ist, behoben und das Widerspruchsverfahren neu gestartet.
Während im Leutzscher Viertel nun immer mehr "Rei(he)nbau Nein Danke!"-Plakate auftauchen und die Anwohner einen Anwalt mit der juristischen Gegenwehr beauftragt haben, schafft der Investor Fakten. Aktuell reißen Arbeiter das kleine Eigenheim ab, das die Erbauer-Familie eigentlich aus Altersgründen in "gute Hände" geben wollte.
Was die Reinbau-Eigner antreibt, ist ebenfalls dem Exposé zu entnehmen: Die mit Wohnflächen zwischen 94 und 107 Quadratmeter bemessenen Reihenhäuser werden zu Verkaufspreisen von 794.000, 760.000 und 655.000 Euro angeboten. Auf einem Eigenheim-Grundstück, das nach Anwohner-Angaben für weit unter 300.000 Euro den Besitzer gewechselt haben soll.
Zum genauen Kaufpreis wollte sich die Maklerin auf TAG24-Anfrage ebenso wenig äußern wie zur Höhe ihrer Provision. Die Reinbau GmbH ließ auch diese Anfragen unbeantwortet.
Titelfoto: Alexander Bischoff