"Ungewissheit": Ex-Fußball-Profis Köhler und Geißler als Café-Betreiber in Not
Leipzig - Alles begann mit Angela Merkel. Als die Bundeskanzlerin am 19. März in einer bewegenden Rede darum bat, doch bitte zu Hause zu bleiben, zog Tom Geißler einen Schluss-Strich. "Ich habe entschieden, mein Kaffeehaus zu schließen", sagt der frühere Bundesliga-Profi des FSV Mainz 05. Schon einen Tag vorher traf Benjamin Köhler eine ähnliche Entscheidung: Auch das Eiscafé "La Luna" des ehemaligen Spielers des 1. FC Union Berlin bleibt vorerst zugesperrt. Zwei Ex-Fußballer und die Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie.
Tom Geißler
Seit drei Jahren betreibt Geißler das "Franz Morish", das vom Exoten längst zum Hotspot der Leipziger Café-Szene aufgestiegen ist. Seinen härtesten Schritt als Unternehmer erklärte Geißler seinen Mitarbeitern ausführlich in einer internen Whatsapp-Gruppe.
"Das Schwierige in der jetzigen Situation ist einfach die Ungewissheit. Es geht nur durch Zusammenhalt und deshalb habe ich damals am Ende den Hashtag #wirgemeinsam gesetzt", berichtet der 36-Jährige.
Aus dem Hashtag ist mittlerweile eine erfolgreiche Crowdfunding-Aktion entstanden, in der aus Konkurrenten Partner wurden. 95.000 Euro will Geißler bis zum 26. April einsammeln, um die Leipziger Café-Szene zu unterstützen.
"Durchschnittlich gibt es für jedes Café gerade Fixkosten für Miete, Strom und Mitarbeiter, die sich nicht einfach wegkürzen lassen", betont der frühere Mittelfeldspieler von RB Leipzig. Geißlers Ziel: Er will seine Mitarbeiter durch Spenden so bezahlen, dass sie trotz Kurzarbeit keine Einbußen haben.
Gut ein Drittel der Summe ist nach einer Woche bereits zusammengekommen. Verteilt werden soll die Summe am Ende an über 20 Leipziger Cafés, die ihren Hauptumsatz mit dem Verkauf von Kaffee machen, nach der Anzahl der Mitarbeiter. "Natürlich sind wir eigentlich Konkurrenten", sagte Geißler. "Aber im Moment ist hier einfach eine große Solidarität und wir freuen uns auf den Tag, an dem die Menschen wieder zu uns kommen dürfen."
Kaffee-Fan war Geißler schon immer, vor vier Jahren machte er in Wien eine Ausbildung zum Kaffee-Sommelier. Ein Jahr später eröffnete er sein Kaffeehaus. "Da hängt natürlich viel dran, damit verdiene ich meinen Lebensunterhalt", sagt der frühere U21-Nationalspieler. "Aber am meisten habe ich meine Mitarbeiter im Kopf, dass sie gut durch diese Zeit kommen."
Um irgendwie Umsatz zu generieren, hat Geißler einen Lieferservice für Kaffee gestartet. Der ist gut angelaufen, ein Vergleich zu einem vollen Kaffeehaus aber längst nicht.
Benjamin Köhler: "Es kostete mich mehr, den Laden offenzuhalten als zuzumachen"
Benjamin Köhler
Schon als Köhler das "La Luna" vor rund anderthalb Jahren in einer neuen Mall in Berlin-Friedrichshain eröffnete, erzählte er von seinem Traum, irgendwann einmal nach Dubai zu expandieren.
Vorerst ist der 39-Jährige aber froh, nicht bereits vor der Coronavirus-Krise eine weitere Filiale in der Hauptstadt aufgemacht zu haben.
"Wir waren schon sehr weit, es waren nur noch Details zu besprechen", sagte Köhler der Deutschen Presse-Agentur. "Im Nachhinein sage ich: Zum Glück habe ich nicht unterschrieben, dann würde ich jetzt drauf sitzen."
Vor gut drei Wochen hatte sich Köhler entschieden, sein Eiscafé vorübergehend zu schließen. "Die Leute waren schon kaum noch draußen, ich habe es an den Umsatzzahlen gemerkt. Es kostete mich mehr, den Laden offenzuhalten als zuzumachen", sagte der frühere Profi, der nach überstandener Krebserkrankung noch auf den Platz zurück gekehrt war und seine Karriere 2017 bei Union beendet hatte.
Der Verkauf von Eis aus dem Fenster würde sich auch nicht rentieren, unter anderem da die Zahl an Besuchern in der Mall derzeit deutlich gesunken sei.
Die zwei festangestellten Mitarbeiter sind auf Kurzarbeit, inklusive Studenten und Minijobber sind rund zehn Menschen im "La Luna" beschäftigt. Kündigen will Köhler keinem, der Glaube, dass es bald wieder losgehen kann, ist da. "Ich nehme es jetzt so hin und hoffe, dass wir in ein paar Wochen wieder aufmachen können", sagt er.
Als ehemaliger Fußballspieler habe er das Privileg, Rücklagen zu besitzen. "Aber nur deswegen, ist es mir natürlich noch lange nicht egal und ich schmeiße Geld aus dem Fenster."
Titelfoto: Christoph Soeder/dpa/PICTURE POINT / K. Kummer