Hochwasser von 2002: Wie die Katastrophe Grimma prägte

Grimma - Das Hochwasser von 2002 ist eine der größten Naturkatastrophen nach dem Zweiten Weltkrieg. Große Teile der Altstadt von Grimma versanken metertief unter den Fluten. Nun schützt eine mit immensem Aufwand errichtete Hochwasserschutzanlage die Stadt.

Grimmas Oberbürgermeister Matthias Berger (parteilos) auf einem Teil der Hochwasserschutzmauer. Vor 20 Jahren, am 13. August 2002, überflutete die Mulde die Altstadt Grimmas in einer Höhe von bis zu dreieinhalb Metern.
Grimmas Oberbürgermeister Matthias Berger (parteilos) auf einem Teil der Hochwasserschutzmauer. Vor 20 Jahren, am 13. August 2002, überflutete die Mulde die Altstadt Grimmas in einer Höhe von bis zu dreieinhalb Metern.  © Jan Woitas/dpa

Sanft fließt die Mulde an Grimma vorbei – lange grüne Wasserpflanzen wiegen an der Oberfläche in der ruhigen Strömung - eine Idylle, der man die tödliche Gefahr nicht auf den ersten Blick ansieht.

"Genauso hat es vor 20 Jahre auch angefangen, es herrschte Niedrigwasser und tagelange Trockenheit", erinnert sich Grimmas Oberbürgermeister Matthias Berger an die Tage vor der schrecklichen Flutkatastrophe am 13. August 2002.

Innerhalb von 36 Stunden stiegen die Pegelstände aufgrund einer besonderen Wetterlage im Erzgebirge derart an und überfluteten die Altstadt in einer Höhe von bis zu dreieinhalb Metern. Ein Mensch starb, 45 Häuser wurden zerstört, die Schäden wurden auf 270 Millionen Euro beziffert. Spitzenpolitiker kamen in die verwüstete Stadt, versprachen voller Entsetzen rasche Hilfen.

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"Unser Glück im Unglück war, dass es die erste richtig große Naturkatastrophe in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg war und daher die Hilfen unbürokratisch und rasch ankamen", erinnert sich Berger, der 2002 gerade ein Jahr Bürgermeister von Grimma war.

Fünf Jahre später wurde bereits mit dem Bau einer Hochwasserschutzanlage begonnen. Eine Mauer von mehr als zwei Kilometern Länge sollte die Altstadt schützen. "Der Denkmal- und Naturschutz hatten bei Planung und Bau keine Einwände erhoben. Heutzutage wäre ein solches Projekt so und in dieser Zeit nicht mehr möglich", sagt Berger.

Vermutlich lag bei allen Beteiligten der Schock über die Ereignisse noch zu tief.

"In etwa zwei Stunden sind alle Tore geschlossen"

Eine 60 Millionen Euro teure Anlage schützt seitdem die Grimmaer Altstadt. Darin enthalten: Mächtige Flutschutztore auf dem Gelände des Gymnasium St. Augustin an der Mulde.
Eine 60 Millionen Euro teure Anlage schützt seitdem die Grimmaer Altstadt. Darin enthalten: Mächtige Flutschutztore auf dem Gelände des Gymnasium St. Augustin an der Mulde.  © Jan Woitas/dpa

90 Prozent der knapp 60 Millionen Euro teuren Schutzanlage liegen unter Wasser. Dafür mussten 2500 Löcher mit einem Durchmesser von einem Meter entlang der historischen Stadtmauer gebohrt werden, das Mauerwerk reicht bis zu zwölf Meter in den Untergrund. Die oberirdischen Mauerabschnitte wurden mit Bruchstein verkleidet. "Es ist jetzt schöner denn je", sagt der Oberbürgermeister.

78 Verschlusseinheiten von kleinen fünf Kilogramm leichten Klappen bis zu einem 16 Tonnen schweren Tor an der Mühle verwehren seitdem dem Wasser der Mulde den Zugang zur Stadt. Jedes Jahr im Mai übt die Feuerwehr mit mehr als 70 Einsatzkräften an der Anlage.

"In etwa zwei Stunden sind alle Tore geschlossen", erläutert der Fachgebietsleiter Brandschutz Steffen Kunze. Das schwerste Tor wird dabei mit einer Winde geschlossen. Hinzu kommen noch zwei mobile Schutzanlagen.

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Laut Notfallplan wird nun bei einem Wasserstand von 1,70 Meter unterhalb der Mauerkrone und steigender Tendenz mit der Evakuierung der Altstadt begonnen. Sechs Stunden haben die Einsatzkräfte dafür kalkuliert. Gebraucht haben sie es bisher nicht.

Die Anlage schützt die Stadt nun vor einem Hochwasser wie 2013 als erneut die Altstadt überflutet worden war. Und selbst das gewaltige Hochwasser von 2002 würde heute deutlich weniger Schäden anrichten - davon sind Oberbürgermeister und Feuerwehr überzeugt.

Mehrheit der Grimmaer für die Anlage

Doris Bormann-Mayer blickt von ihrem Stollehaus an der Hochwasserschutzmauer auf die Mulde. Vor 20 Jahren musste sie mit ihren drei Kindern - darunter ein drei Monate alter Säugling - vor den Wassermassen fliehen.
Doris Bormann-Mayer blickt von ihrem Stollehaus an der Hochwasserschutzmauer auf die Mulde. Vor 20 Jahren musste sie mit ihren drei Kindern - darunter ein drei Monate alter Säugling - vor den Wassermassen fliehen.  © Jan Woitas/dpa

Doris Bormann-Mayer steht neben ihrem historischen Wehrhaus. Es steht direkt an oder eigentlich auf der Stadtmauer. Sie beobachtet ein Schwanenpaar. Vor 20 Jahren musste sie mit ihren drei Kindern - darunter ein drei Monate alter Säugling - vor den Wassermassen fliehen.

"Wir sind vom ersten Stock, als dieser überflutet wurde, in ein Boot gestiegen und eine Straße weitergepaddelt", erinnert sich die heute 57-Jährige. Als dann aber die Strömung zu stark wurde, stieg die Familie in ein Boot der Feuerwehr um und wurde gerettet.

Sie sei von der neuen Hochwasseranlage nicht sofort begeistert gewesen, betont Bormann-Mayer. "Die Mauer bringt eine gewisse Grundsicherheit und die Fassade ist eigentlich auch ganz schön gemacht. Ich hätte mir aber auch noch mehr natürlichen Hochwasserschutz gewünscht." Insgesamt sei sie aber mit den getroffenen Maßnahmen zufrieden.

In der Planungs- und Bauphase habe es auch einige Proteste von kleineren Gruppen - darunter auch Anwohnern - gegen die Hochwasserschutzanlage gegeben, sagt die 57-Jährige. Aber wirklich durchgedrungen seien diese Stimmen nicht.

Ein Feuerwehrmann schließt im Rahmen einer Kontrolle eines der Schutztore in der Hochwasserschutzmauer. Das Bauwerk wurde in diesem Jahr sogar mit dem sächsischen Staatspreis für Baukultur ausgezeichnet.
Ein Feuerwehrmann schließt im Rahmen einer Kontrolle eines der Schutztore in der Hochwasserschutzmauer. Das Bauwerk wurde in diesem Jahr sogar mit dem sächsischen Staatspreis für Baukultur ausgezeichnet.  © Jan Woitas/dpa

Oberbürgermeister Berger berichtet von nur wenigen Demonstranten, wovon die Hälfte nicht einmal aus Grimma stammte. "99,99 Prozent der Einwohner in Grimma waren für die Anlage. Die Leute waren nach der Katastrophe heilfroh, dass es gemacht wurde."

Titelfoto: Jan Woitas/dpa

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