Drama in Leipziger Gartenanlage: Waschbär sollte qualvoll sterben!
Von Anke Brod
Leipzig - Unermessliches Tierleid in einer Leipziger Gartenanlage: Im Kleingartenverein (KGV) "Alte Mühle" (Stadtteil Wahren) sollte vorige Woche ein in der Lebendfalle hockender Waschbär in einer wassergefüllten Wanne sterben. Nur der Kopf ragte noch heraus. Eine Zeugin rief geistesgegenwärtig das Veterinäramt herbei und vereitelte so einen langen, grausamen Todeskampf. Der Bär wurde vom Amtstierarzt eingeschläfert.
Waschbären gelten hierzulande als "invasive Art" und werden bejagt. Dafür gibt es Regeln. Das bundesweit geltende Tierschutzgesetz besagt: "Ein Wirbeltier töten darf nur, wer die dazu notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten hat." Und das auch nur, "wenn hierbei nicht mehr als unvermeidbare Schmerzen entstehen".
Weshalb genannter Waschbär im KGV "Alte Mühle" an der Elster am 16. Juni in der Kaltwasserwanne derart gequält wurde, blieb offen. Steve Tilgner, Vorsitzender des Vereins, äußerte sich gegenüber TAG24 nicht dazu.
"Ich kann keine Aussagen machen", sagte er am Telefon und erläuterte: "Es ist alles noch in Klärung."
Dem Vernehmen nach sollte das hilflose Säugetier noch im Käfig in der Wanne ertränkt werden. Doch reichte dafür wohl die Wasserhöhe nicht aus. Das schilderte Zeugin Uta S. (Name geändert) im TAG24-Gespräch.
Sie hatte an jenem Mittwoch die Gartenanlage gegen 14.30 Uhr betreten.
Das Wasser stand bis zum Hals
Dort hätte ihr ein Vereinsmitglied in einem Schuppen die grauenvolle Szene gezeigt.
"Er hat die Abdeckung hochgenommen, und es befand sich in der bis oben mit Wasser gefüllten Badewanne in einer Lebendfalle ein Waschbär", erinnerte sie sich. Fassungslos ergänzte sie: "Er sollte da drinnen sterben, das war der Plan."
Von einem Rettungsversuch habe man sie abhalten wollen. "Das Tier bleibt da drin", rief ihr demzufolge ein Kleingärtner zu.
Die mutige Tierfreundin ließ sich dennoch nicht beirren und hievte den Waschbären mitsamt Drahtkäfig aus der Wanne. Von einer Frau habe sie Unterstützung erfahren.
"Seinen Blick werde ich kaum los", berichtete Uta S. nachhaltig geschockt. "Der war komplett durch."
Stundenlang müsse er in dieser Position gefangen gewesen sein, mutmaßte sie. Das Aufstellen der Lebendfalle soll dem Vernehmen nach zuvor im Vorstand beschlossen worden sein.
Es war möglicherweise gar geplant, eine Grube auszuheben, sie zu betonieren und dort alle gefangenen Waschbären zu ertränken, erfuhr TAG24.
Kleingärtner dementieren Tötungspläne
Am Dienstagnachmittag dementierte Robby Müller als Vorsitzender im Stadtverband Leipzig der Kleingärtner derartige Pläne gegenüber TAG24.
Er habe unabhängig voneinander mit zwei Vorstandsmitgliedern des KGV "Alte Mühle" telefoniert, unter anderem mit dem Vorsitzenden.
"Beide distanzieren sich klar von den Vorwürfen", so die Aussage. Es gebe keine Vorstandsbeschlüsse zum Kauf und Aufstellen von Lebendfallen oder gar der Tötung von Wildtieren, hieß es weiter.
Auch soll - oder sollte - keine Grube gebaut werden. Das sei auf öffentlichen Flächen ohne Genehmigung des Bodeneigentümers ohnehin nicht statthaft, erklärte Müller.
"Die besagte Badewanne war für eine geplante Baumaßnahme (Zaunbau) als Wasservorratsbehältnis vorgesehen", ließ er verlauten.
"Der für die Aktion verantwortliche Kleingärtner ist dem Vorstand bekannt und soll die fristlose Kündigung erhalten."
Waschbär von massiven Schmerzen erlöst
Die Leipziger Stadtverwaltung hatte TAG24 bereits am Montag bestätigt, dass das Veterinäramt vergangene Woche in eine Gartenanlage gerufen wurde, "da laut Auskunft d. Bürgerin/Bürgers eine nicht mit dem Tierschutzgesetz konforme Tötung eines Waschbären vermutet wurde, das Tier noch lebe und leide".
Mitarbeiter des Veterinäramtes seien unverzüglich zur Gartenanlage gefahren und hätten den Waschbären umgehend "von seinen massiven Schmerzen und den damit verbundenen Leiden" erlöst.
"Eine pathologische Untersuchung wurde eingeleitet", hieß es weiter.
Die Prüfung der strafrechtlichen Relevanz dieses Vorfalls obliege nun der Staatsanwaltschaft.
Nach städtischer Auskunft lautet die Rechtslage im Umgang mit Waschbären: "Zum einen ist er nach sächsischem Jagdrecht jagdbares Wild. Ist der Waschbär einmal mittels Lebendfalle gefangen, darf er nicht wieder freigelassen werden." Auch die Haltung in menschlicher Obhut sei inzwischen sehr stark reglementiert, so die entsprechende Verordnung zum Handling "invasiver Arten". Dazu zähle der Waschbär.
Das Fazit für den KGV "Alte Mühle": Das Ertränken eines Tieres ist nicht mit dem Tierschutzgesetz vereinbar. Bei strafrechtlicher Verurteilung drohen Geldstrafen oder die Haft.
Update, 23. Juni, 14.15 Uhr: Weiterer Waschbärfund: Zufall oder System?
Einen weiteren erschreckenden Tierfund machte im Stadtteil Wahren kürzlich auch eine Spaziergängerin: Unweit des besagten Kleingartenvereins stieß sie auf einen aufgedunsenen und verkohlt wirkenden Tierkadaver mit abgetrenntem Kopf. So ein Post in der Facebook-Gruppe "Vermisste und gefundene Tiere Leipzig + Land" .
Es sehe wie ein Waschbär aus, beurteilten Leser die eingestellten Bilder. "Nein, defintiv kein Wilderer am Werk gewesen...", schrieb die Finderin selber dazu und erklärte: "...denn dafür war der Kopf und die Beine viel zu grade ab..."
Den zur Stunde wohl plötzlich verschwundenen Kadaver wolle man den Behörden melden, hieß es in den Kommentarspalten. Es rieche hier stark nach Tierquälerei.
Ob ein Zusammenhang zu dem am vorigen Mittwoch noch lebend in einer Badewanne mit Wasser aufgefundenen Waschbär besteht, ist derzeit unklar.
UPDATE, 25. Juni, 17.30 Uhr: Sachverhalt liegt bei der Staatsanwaltschaft
Wie die Leipziger Stadtverwaltung TAG24 am heutigen Freitag auf Anfrage mitteilte, sei der Sachverhalt laut Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsamt inzwischen an die Staatsanwaltschaft übermittelt worden.
Darüber hinaus hieß es zu dem zweiten erschreckenden Waschbärfund unweit der Gartenanlage: "Der uns als kopflos beschriebene Kadaver lag bereits kurze Zeit nach dem Anruf einer besorgten Bürgerin dieser Tage nicht mehr an der beschriebenen Stelle". Und: "Die Kollegen waren zwar vor Ort, aber da konnten sie nichts machen."
UPDATE, 28. September, 13.55 Uhr: Ermittlungen der Staatsanwaltschaft laufen
Drei Monate nach dem Vorfall im Wahrener Kleingartenverein "KGV Alte Mühle" hakte TAG24 bei der Leipziger Staatsanwaltschaft zum aktuellen Stand des Falls nach. Es geht um den "Tatverdacht des Verstosses gegen das Tierschutzgesetz".
"Die Ermittlungen in diesem Verfahren sind noch nicht abgeschlossen, derzeit kann auch noch nicht abgeschätzt werden, wann mit einem Abschluss zu rechnen ist", informierte dazu Staatsanwältin Jana Friedrich auf Anfrage. Wegen laufender Ermittlungen könnten zudem Angaben zu weiteren Einzelheiten derzeit nicht gemacht werden.
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