Corona, Mindestlohn, Fahrermangel: Deshalb bekommt Ihr in Leipzig kein Taxi mehr
Leipzig - Gehörten Taxis vor einiger Zeit noch zum gewohnten Bild auf Leipzigs Straßen, sind sie heute - abhängig von der Tageszeit - zu einer Rarität geworden. Doch warum bekommen wir plötzlich kein Taxi mehr, wenn dies gerade notwendig ist? TAG24 hat bei Leipzigs ältester Funktaxenzentrale nachgefragt.

Freitagnachmittag im Leipziger Westen, Arzttermin im Süden der Messestadt und plötzlich findet sich kein Taxi in der Umgebung.
"Von Montag bis Freitag, 16 Uhr, ist es wirklich eng mit Fahrzeugen, ebenso Freitagnacht und Samstagnacht, wenn die Spitzenzeiten sind. Dann haben wir einfach zu wenige Taxen auf der Straße", sagt Thomas Voigt, Geschäftsführer bei "4884 - Leipzigs Funktaxi".
Corona spiele dabei eine Rolle. "Man kann das aber nicht nur darauf runterbrechen", so Voigt.
"Es hängt auch mit der Personalsituation zusammen. Als wir den vollen Lockdown hatten, ist uns die komplette Nachtschicht weggebrochen. Die Kollegen, die nur nachts unterwegs waren, sind dann natürlich zunächst in Kurzarbeit gegangen und haben sich schließlich Alternativen gesucht, beispielsweise im Transportgewerbe. Diese Kollegen fehlen uns jetzt, gerade zu Spitzenzeiten."
Wie viele Fahrer weggefallen sind, könne der 4884-Geschäftsführer nur schätzen. "Die Unternehmen, die mit uns arbeiten, müssen uns ja nicht sagen, wenn bei ihnen jemand aufgehört hat. Wir bemerken das nur an der Zahl der Taxen, die bei uns verfügbar sind. Da fehlen uns in Spitzenzeiten etwa 25 Prozent im Vergleich zu 2019. Das ist eine Menge und das bekommen die Leipziger natürlich zu spüren."
Knapp 80 Taxis weniger in Leipzig

Nach einer Anfrage bei der Leipziger Stadtverwaltung erfuhr TAG24, dass die Zahl der in der Messestadt angemeldeten Taxis von Anfang 2020 bis Dezember 2022 von 638 auf 559 Fahrzeuge sank.
"Das waren beispielsweise Unternehmer, die aufgrund ihres Alters gesagt haben, sie geben einen Teil ihrer Autos ab, machen die letzten Jahre bis zur Rente noch allein. Oder die im Zuge der Pandemie und ihrer Folgen gleich ganz aufgehört haben", erklärt Thomas Voigt den Wegfall. Dass Leute durch Corona insolvent gegangen sind, davon sei ihm nichts bekannt.
"Die Hilfen, die jedes Unternehmen durch Entlastungspakete bekommen hat, haben natürlich auch dem Taxigewerbe geholfen. Sonst wäre es noch dunkler geworden. Aber Corona ist eben nicht das ganze Problem." Hinzu käme ein "eklatanter Arbeitskräftemangel", wie es Voigt beschreibt.
"Darunter leidet die gesamte Dienstleistungsbranche und wir sind natürlich keine Ausnahme. Damit müssen wir leben, aber eben auch ein bisschen am Image des Taxifahrers feilen. Das ist nicht immer das beste, wobei wir da, meiner Meinung nach, unterbewertet werden."
Wann stelle ich mein Taxi zur Verfügung?

Die Einführung des Mindestlohns im Oktober 2022 habe zudem neue Herausforderungen mit sich gebracht. "Das ist ein Schritt, durch den jeder Taxiunternehmer jetzt bewerten muss, wann er ein Fahrzeug der Bevölkerung bereitstellt und wann er das nicht tut."
Vor der Einführung hätten Taxifahrer auf Provision gearbeitet. "Hat man Mittwochabend weniger verdient, weil in der Stadt nichts los war, hat man das eben am Freitag oder Samstag wieder reingeholt. Es war eine Mischkalkulation, die aber funktioniert hat."
Mit dem zwanghaften Zahlen des Mindestlohns, so Thomas Voigt, habe sich das Bild geändert.
"Da muss ich als Unternehmer einen Umsatz pro Stunde von mindestens 35 Euro generieren - und da habe noch keinen Gewinn gemacht. Da sind nur die Kosten gedeckt. Der Unternehmer wird also einen Teufel tun, Mittwochnacht, 2 Uhr, ein Fahrzeug zur Verfügung zu stellen, wohlwissend, dass er diesen Umsatz nicht erreichen kann. Dann bleibt das Auto stehen."
Titelfoto: Ralf Seegers