Leipzigs neuer Polizeipräsident: "Man kann auch durch Stärke deeskalieren"
Leipzig - Nach nur zwei Jahren hat Leipzig einen neuen Polizeipräsidenten. René Demmler (49) hat am 1. Februar das Kommando über mehr als 3200 Mitarbeiter übernommen und steht vor einem herausfordernden Berg an Arbeit.

Innenminister Roland Wöller (50, CDU) bezeichnet Demmler als "erfahrenen Einsatzstrategen". Im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur überrascht der Mann aus dem Erzgebirge, der sich nicht als "Lückenfüller" sieht.
Frage: Wie ist Ihre Strategie für den Stadtteil Connewitz, in dem es immer wieder zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei kommt?
René Demmler: Das werde ich mir sicherlich genau anschauen. Aber man wird dem Stadtteil Connewitz nicht gerecht, wenn man ihn mit Extremismus gleichsetzt. Das ist ein bunter Stadtteil, etwas anders als andere, das finde ich sehr interessant. Wenn aber dort Gewalt ausbricht oder gefährliche Situationen entstehen, wird jeder Einzelfall beurteilt und danach werden auch unsere Kräfte eingesetzt.
Neben Kommunikation und Deeskalation, was ganz vorne steht, müssen wir uns so aufstellen, dass die Versammlungsfreiheit gewährleistet ist.
Das ist oft eine schwierige Aufgabe. Nur Kommunikation langt da nicht immer! Man kann auch durch Stärke deeskalieren. Dass die Einsatzmaßnahmen, die im letzten Jahr in Leipzig gelaufen sind, manchmal nicht das von uns angestrebte Ziel erreicht haben, das ist offenkundig.
René Demmler: "Im Umgang mit Asservaten ist hohe Sorgfalt angesagt"

Frage: Im November lief eine Demonstration von "Querdenken" völlig aus dem Ruder (TAG24 berichtete). Was sind Ihre Erkenntnisse für die Zukunft daraus?
Demmler: Es ist ganz wesentlich, dass die zuständigen Ämter der Stadt und die Polizei zusammenarbeiten. Das Augenmerk muss darauf gelegt werden, dass wir eine ordentliche Gefahrenprognose erstellen, die dann in einen rechtsmittelfesten Bescheid mündet, der auch einer gerichtlichen Prüfung standhält.
Ich glaube, dass es da Probleme bei einigen Zwischenschritte gegeben hat. Und dann kommt man polizeilich in die Situation, dass eine fünfstellige Personenzahl nicht mehr gehändelt werden kann. Ich denke, es gilt im Vorfeld eng zusammenzuarbeiten und das Richtige zu tun.
Frage: Im Fall des sogenannten "Fahrradgate" wurden aus der Asservatenkammer der Polizei Leipzig Hunderte hochwertige Fahrräder zu Schnäppchenpreisen verkauft, auch an Polizisten. Welche Lehren ziehen sie aus dem Skandal?
Demmler: Es sind die richtigen Schritte eingeleitet worden, dass der Vorgang außerhalb der PD Leipzig und zwar beim Landeskriminalamt bearbeitet wird. Und wir müssen durch klare dienstorganisatorische Regelungen dafür sorgen, dass hier keine Berge von Fahrrädern lange rumstehen, die wir nicht zuordnen können. Im Umgang mit Asservaten ist hohe Sorgfalt angesagt, ich glaube, jeder in der Polizeidirektion Leipzig hat das jetzt erkannt. Ich habe ein vitales Interesse daran, dass die Polizei so funktioniert wie es der Bürger erwartet: Das bedeutet, dass wir uns an Recht und Gesetz halten.
René Demmler: "Politische Bildung hat zu geringen Stellenwert erfahren"

Frage: Innerhalb der Leipziger Polizei gibt es Verdachtsfälle im Zusammenhang mit Rechtsextremismus und Rassismus. Werden Sie die politische Bildung innerhalb der Polizei vorantreiben?
Demmler: Wir müssen sehr auf uns selbst achten und uns immer wieder selbst hinterfragen. Es gibt Demonstrationen da werden Polizistinnen und Polizisten stundenlang beschimpft, das macht was mit diesen. Da ist intensive Arbeit angezeigt, dass es nicht in eine rassistische oder extremistische Richtung geht.
Ich denke, politische Bildung hat aber allgemein in der Gesellschaft in den vergangenen Jahren einen zu geringen Stellenwert erfahren.
Wir müssen dafür Vorsorge tragen, dass unsere Kollegen stabil bleiben.
René Demmler wurde in Stollberg im Erzgebirge geboren. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. Demmler leitete unter anderem im sächsischen Innenministerium das Referat 32 (Organisation, Planung, Controlling und Strategie der Polizei). Im Juli 2020 wurde er Chef der Polizeidirektion Zwickau.
Seit dem 1. Februar ist er Präsident der Polizeidirektion Leipzig.
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