Waffenverbotszone in Leipzig wird abgeschafft: "Kriminalität wurde nicht zur Ruhe gebracht!"
Leipzig - Die Waffenverbotszone in der Leipziger Eisenbahnstraße soll über kurz oder lang abgeschafft werden - das ist das Ergebnis einer wissenschaftlichen Evaluation der 2018 eingeführten Maßnahme. Polizei, Innenministerium sowie Forscher stellten die Untersuchung am Mittwoch bei einer Pressekonferenz vor.
Im November 2018 wurde die Waffenverbotszone in der Eisenbahnstraße eingeführt, um ein Symbol zu setzen und die Kriminalität mit Waffen im Leipziger Osten einzuschränken, wie Bürgermeister Burkhard Jung (SPD, 63) zu Beginn noch einmal hervorhob. Schilder weisen seitdem darauf hin, dass niemand dort Messer, Schlagstöcke oder Reizgas dabei haben darf, außerdem ist die Polizei befugt, verdachtsunabhängige Kontrollen durchzuführen.
Statt schnellen Ergebnissen in der Bekämpfung von Verbrechen gab es Vorwürfe der Anwohner - unter anderem wurde kritisiert, dass der Alltag der Menschen durch permanente Überwachung und Diskriminierungserfahrungen erschwert werden würde.
Im November 2019 wurde eine Evaluation der Maßnahme beschlossen, deren Ergebnisse in Form eines 160-Seiten-Berichts vorliegen und auch für alle Bürger und Bürgerinnen frei einsehbar ist.
Forscher befragten Anwohner und Anwohnerinnen der Eisenbahnstraße
"Als Evaluierungskomponenten wurden auf der einen Seite stichprobenartig 3000 Personen aus der anwohnenden Bevölkerung befragt und Expert:innen-Interviews mit Akteuren aus öffentlichen Einrichtungen und inter- sowie soziokulturellen Einrichtungen geführt", berichtete Marcel Schöne (45) vom Sächsischem Institut für Polizei- und Sicherheitsforschung.
Letzteres gab die Evaluation bei Forschern der Universität Leipzig in Auftrag. Untersucht wurden vor allem die Fragen, inwiefern die Waffenverbotszone bei den Anwohnern und Anwohnerinnen auf Akzeptanz trifft - und inwieweit aus deren Perspektive ein augenscheinlicher Rückgang von Waffendelikten und Kriminalität allgemein zu beobachten war.
"Eine Mehrheit der Befragten findet, dass die Eisenbahnstraße durch das Errichten einer Waffenverbotszone stigmatisiert wird und vor allem junge, dort lebende Menschen bezeichnen die Kontrollen als diskriminierend. Die Kriminalität vor Ort sei nach wie vor hoch. Zwei Drittel der Befragten wünscht sich eine bürgernähere Polizei", fasste Marcel Schöne zusammen. Wie sich durch die Befragung herauskristallisierte, sind es auch nicht die durch die Zone zu verhindernden "Kapitaldelikte", die Bevölkerung vor Ort fürchtet - eher ist es die Alltagskriminalität, oft im Zusammenhang mit Drogendelikten, die eine Bedrohung für die Anwohner und Anwohnerinnen darstellt.
Diese könne man durch die Waffenverbotszone allerdings nicht greifen, führte der Polizeiwissenschaftler aus.
Neuer Polizeiposten für die Eisenbahnstraße geplant
Leipzigs Polizeichef Rene Demmler (49) bestätigte die nach wie vor hohen Fallzahlen von Alltagskriminalität in dem Areal, alleine im Jahr 2021 verzeichnet die Behörde 20 öffentlichkeitswirksame Auseinandersetzungen auf und in näherer Umgebung der Eisenbahnstraße.
"Das Kriminalitätsgeschehen ist in keinstem Fall zur Ruhe gekommen", stimmte auch Innenminister Roland Wöller (CDU, 50) mit ein, der trotzdem von einem "Teilerfolg" der Leipziger Polizei vor Ort spricht. "Unser Ziel war es der 'Leuchtturmkriminalität' an einem Brennpunkt wirksam zu begegnen und da hat die Präventionsmaßnahmen der Waffenverbotszone durchaus gewirkt", so der 50-Jährige.
Was aber sind nun die Konsequenzen aus dieser Evaluation? Von einem Aufrechthalten der Waffenverbotszone soll in Zukunft Abstand gehalten werden - eine konkrete Abschaffung steht in Absprache mit einer Arbeitsgruppe, die sich mit den Ergebnissen der Evaluation befassen soll, kurz bevor. Ein wichtiges To-Do für Stadt und Polizei wird das Errichten eines neuen Polizeipostens direkt auf der Eisenbahnstraße sein, der sowohl Polizeibeamten als auch Mitarbeitern des Leipziger Ordnungsamtes ein gemeinsames Dach bieten und die Arbeit der Sicherheitsbeauftragten vor Ort transparenter machen soll.
Nicht zuletzt sollen Polizei und Stadt künftig enger mit den Institutionen und Akteuren und Akteurinnen des Leipziger Ostens kooperieren, um der Alltagskriminalität dann noch effektiver zu Leibe zu rücken.
Titelfoto: Sebastian Willnow/dpa-Zentralbild/dpa