Dornröschen- statt Beischlaf! Tote Hose im Sünden-Schloss
Leipzig - Gerade einmal 19 Wochen durfte sie in diesem Jahr ihren Betrieb öffnen. Dass 2020 noch weitere hinzukommen - den Glauben daran hat Lucy (37) längst verloren. Denn Bordelle gehören zu den Unternehmungen, die von den Corona-Politikern zuerst geschlossen und zuletzt geöffnet werden. Für die Betreiberin des Leipziger Etablissements "Dornenschloss" geht es nun ans Eingemachte.
Ob Lila-Lümmelraum, Massage-Oase, Dominanz-Zimmer oder Kliniker-Stube - im "Dornenschloss" herrscht seit Monatsbeginn wieder Dornröschenschlaf. So wie bereits von Mitte März bis Anfang September, als der erste Lockdown das Rotlichtgewerbe im XXL-Format traf.
"Meine Kolleginnen mussten sich nach anderen Jobs umschauen, manche sind in die Altenpflege gewechselt, andere haben eine Umschulung angefangen", erzählt Lucy, die in guten Zeiten mit bis zu 15 Damen die unterschiedlichsten Männerträume erfüllt. Zehn sind nach dem ersten Lockdown zurückgekehrt, wenn auch manche nur noch nebenberuflich.
"Da standen die Telefone nicht mehr still - wir sind regelrecht überrannt worden", erinnert sich die gebürtige Dresdnerin an die ersten Tage nach Wiedereröffnung am 7. September.
Mit Pralinen und Blumen seien die Herren gekommen.
"Viele haben niemanden zum Reden"
"Wir haben gemerkt, wie sehr wir der Männerwelt gefehlt haben - und da meine ich nicht nur den Sex, sondern viele hatten in all der Zeit auch niemanden zum Reden", erzählt Lucy, die einerseits als Schloss-Betreiberin Zimmer an Liebesdamen vermietet, andererseits als sogenannte "Klinikerin" selbst Hand und andere Dinge anlegt.
Die Herren hätten auch ohne Murren sämtliche Hygienemaßnahmen ertragen - von Masken- und Registrierungspflicht bis hin zum Mindestabstand. Den gab es tatsächlich! "Eine Ellenlänge beim erotischen Massieren... Geschlechtsverkehr war verboten. Nur ein Hand-Finale gab's auf Wunsch", berichtet Lucy.
Auch schrieb das Hygienekonzept vor, dass die Damen nach jedem Kunden ihre Arbeitskleidung zu wechseln und den Raum 20 Minuten zu lüften hatten. Zudem: Jedwede Arbeitskleidung musste hernach bei mindestens 60 Grad Celsius gewaschen werden - was gerade bei den Dessous zu einem erheblichen Verschleiß führte, da nach spätestens drei Waschgängen die Körbchen nur noch Mandarinengröße hatten.
Trotz all der Auflagen sehnt sich Lucy nach diesen Zeiten, die gerade mal acht Wochen andauerten, zurück. Seit dem 2. November ist wieder tote Hose. Jetzt sitzt die Mutter einer Tochter allein in ihrer Schloss-Küche und bereitet das Reinigen der Teppiche vor. "Irgendetwas muss man ja machen."
"Mädels machen wieder Hausbesuche"
Dass sie dieses Jahr noch einmal öffnen darf, hofft Lucy zwar insgeheim, aber daran glauben kann sie längst nicht mehr. "Unser Gewerbe ist für die Politik immer das ungeliebte Schmuddelkind, das man zwar heimlich besucht, zu dem sich aber niemand bekennen will", beklagt sie die fehlende Lobby.
Zumal der Lockdown im Rotlicht vermutlich das Gegenteil von dem bewirken wird, was eigentlich beabsichtigt ist. Lucy: "Prostitutionsstätten haben strenge Hygienekonzepte, müssen aber schließen. Um wirtschaftlich zu überleben, machen die Mädels nun wieder Haus- und Hotelbesuche, was ja nicht verboten ist. Das bedeutet allerdings eine zusätzliche Gefährdung der Frauen."
Wie lange Lucy noch wirtschaftlich durchhält, weiß sie nicht. Miete, Wasser, Strom, Versicherungen - monatliche Betriebskosten in hohem vierstelligen Bereich drücken. Ihren Jeep musste die Schlossherrin bereits verkaufen, um halbwegs liquide zu bleiben. Auch die Familie unterstützt sie.
Am Küchentisch grübelt Lucy nun über Alternativen. "Ich überlege gerade, ob ich das Dornenschloss während des Lockdowns mal TV-Produktionsfirmen als Filmkulisse anbieten sollte ..."
Titelfoto: Alexander Bischoff