Es werden wohl über 180 werden: "Konzert-Sammler" aus Leipzig jagt Weltrekord
Leipzig - Als Liebhaber lauter Livemusik litt der Leipziger Markus Gubitz (34) während der langen Lockdown-Phasen an Mangelerscheinungen. Um diese auszugleichen, nahm er sich vor, 2023 der Weltmeister bei Konzertbesuchen zu werden. Am Sonntag, bei seinem 172. Event in diesem Jahr, wird er den bisherigen Guinness-Buch-Rekord verdoppeln! Dass die Batterie seines Körpers und sein Konto sich dem Leerzustand nähern, vermögen seine fantastischen Erlebnisse mehr als wettzumachen.
Mögliche Kritiker und Zweifler wimmelt er gleich am Eingang seiner Webseite ab, indem er drei selbst gestellte Fragen beantwortet: "Habe ich mir das vorher überlegt? Nein. Bin ich ein bisschen verrückt? Wahrscheinlich sehr. Werde ich es schaffen? Auf jeden Fall!"
Der Optimismus war durchaus berechtigt, als er im Januar seinen rockenden Marathon begann. Im Jahre 2018 hatte sich ein gewisser Sudan Infante aus Palm Beach (Florida) von der Guinness-Redaktion seinen Rekord eintragen lassen: 65 Konzerte hatte der besucht und dokumentiert.
Das wirkte eher lächerlich zu den 190 Bands und Künstlern, die Markus Gubitz von Mai bis Dezember 2022 gesehen hatte. Also meldete er sich an.
Doch im April kontaktierte ein Herr Josh Beck aus Pennsylvania den Leipziger: "Er teilte mir mit, dass er jetzt als aktueller Rekordinhaber eingetragen wurde. Weil wir beide die Vorliebe für Rock- und Metalbands teilen, haben wir uns gleich ganz gut verstanden. Wir gaben uns sogar gegenseitig Tipps." Becks neuer Rekord jedoch, nämlich 86 besuchte Konzerte in 2022, schreckte Gubitz schon damals nicht sonderlich.
Denn wenn alles klappt, wird er diesen am morgigen Sonntag gar verdoppeln und damit pulverisieren. Im Leipziger "Haus Auensee" besucht er die Show der britischen Metalband "Sleep Token". Es wird sein 172. für den Rekord relevantes Konzert in diesem Jahr sein. Da er die Vorbands nur selten verpasst, kommt er bereits auf 370 Shows - im Schnitt mehr als eine pro Tag.
Leipziger peilt Weltrekord für Besuche von Livekonzerten an
Treibende Beats, fette Bässe, kreischende Gitarren und röhrende Stimmen, das alles in dröhnender Lautstärke: Kriegt man da nicht auf Dauer Ohrensausen? Markus Gubitz: "Meine Ohren halten das schon ganz gut aus." Doch dann räumt er ein: "Ganz anders sieht es mit Füßen und Rücken aus, da gibt es mitunter schon Schmerzen und Verspannungen. Es zehrt auch an der allgemeinen Kondition, meine Batterien neigen sich dem Ende."
Auch auf seinem Konto machen sich das teure Hobby und der Rekordversuch bemerkbar. Es ist nicht so, dass der Informatiker bald am Hungertuch nagen muss. Aber allein für die Eintrittskarten hat er bereits mehr als 6000 Euro ausgegeben. Hinzu kommen noch die 35.000 Kilometer mit dem Auto, Übernachtungskosten und der ein oder andere Drink beim Konzert. Das Vergnügen wird ihn wohl um die 12.000 Euro kosten.
Da fallen die 150 Euro Anmeldegebühr bei der Guinness-Redaktion kaum ins Gewicht. Dafür erhielt Gubitz obendrein ein paar Shirts, Buttons und eine gelbe Warnweste. Diese wurde sein ständiger Begleiter auf der Tour. Denn von Anfang an nahm er sich vor, alle Bands und Künstler darauf unterschreiben zu lassen: "Die absoluten Topstars wie Harry Styles, Avril Lavigne oder Blink-182 waren für mich leider nicht erreichbar, das Management ignorierte meine Anfrage."
Dennoch ist die gelbe Weste inzwischen prall gefüllt mit Autogrammen vieler Stars. Manche Bands ließen es sich nicht nehmen, außer ihrem Namen noch kleine Extras darauf zu kritzeln – die Band "Fettes Brot" malte ihm eben mal ein fettes Brot. Das Textil ist inzwischen ein wertvolles Unikat, denn nicht alle Künstler weilen noch unter den Lebenden. Und nachdem sich Rapper "Alligatoah" darauf verewigt hatte, beschloss der sein Karriereende.
Warnweste beschert ihm Einlass in viele Backstage-Bereiche
Überhaupt erwies sich die Warnweste als genialer Türöffner für den Backstage-Bereich vieler Veranstaltungsorte. Oft durfte der Leipziger Rockfan vor dem Konzert so auch die menschliche Seite der Künstler kennenlernen, die man später auf der Bühne eher selten sieht. Da gab es viele herzliche Gespräche, an die er sich gerne erinnert.
Gubitz: "Etwa der Sänger von Saltatio Mortis, der eine Viertelstunde lang die Namen auf der Weste studierte und mir erzählte, welche Band er auch noch gerne sehen möchte oder wen er persönlich kennt."
Mit der Band "The Hives" unterhielt er sich in Prag über gesundheitliche Problemen, vor denen auch Bühnenstars nicht gefeit sind. "Ich erfuhr, dass ein Gitarrist mit Darmproblemen während des Livekonzertes seine Riffs auch mal von der Toilette aus einspielen muss."
Die Band "Betontod" lud Gubitz schon weit vor dem Konzert zum Soundcheck in die Dresdner Reithalle ein. "Mein absolutes Highlight war aber, als die Band Siamese im Berliner Cassiopeia ihr Konzert unterbrach, mich auf die Bühne rief und ich von meinem Vorhaben erzählen durfte."
Im April wird sich zeigen, ob Markus Gubitz Erfolg hatte
Nicht erst seither ist der Mann mit dem markanten Rotbart in vielen Klubs der Szene bekannt wie ein bunter Hund. "Mancherorts begrüßen mich die Security-Leute schon mit Handschlag, ich habe so einige Freunde gemacht." Und seine Social-Media-Kanäle, auf denen Gubitz alle Konzertbesuche auch mit kleinen Videoschnipseln dokumentiert, verfolgen Interessierte aus aller Welt.
Bis Monatsende wird er auf 182 Konzerte kommen, vielleicht auch ein paar mehr. Ob das zum Rekord reicht, erfährt er wohl erst im April. Gubitz: "Kann ja sein, dass irgendwo auf der Welt ein anderer Verrückter gerade ebenfalls auf Rekordjagd ist."
Das kommende Jahr will er dann etwas ruhiger angehen: "Aber ein Konzert pro Woche wird es bestimmt."
Titelfoto: Montage privat ; Ralf Seegers