Der Teufel von Sachsens berühmtestem Keller
Leipzig - Sachsens Geschichte ist sagenhaft vielfältig, Sachsens Sagenwelt nicht minder. Viele der Erzählungen sind Hunderte Jahre alt. Andere wiederum wurden erst zu Zeiten der Gebrüder Grimm geschrieben oder haben noch keine 50 Jahre auf dem Buckel! Ob nun neu oder uralt - die TAG24-Serie geht den Überlieferungen auf den Grund und erzählt sie zeitgemäß. Heute: Faust in Auerbachs Keller.

Mephisto ist pünktlich auf die Sekunde. Die Hörner geputzt, den roten Umhang auf der Schulter, edle Lederhandschuhe übergestreift steht er im ersten Untergeschoss von Auerbachs Keller und macht seine Aufwartung.
Gleich wird er das Reporterteam in die tiefsten Tiefen von Leipzig führen. Dorthin, wo vor 500 Jahren alles begann.
"Sobald ich mich geschminkt und angezogen habe, BIN ich Mephisto", sagt Darsteller Hartmut Müller. Der 67-Jährige verkörpert seit 27 Jahren jene Kraft, die nach Goethe "stets das Böse will und stets das Gute schafft". Nebenbei gibt er hier in den Tiefen der Mädler-Passage noch den Kellermeister.
Gelernt hat Müller die Schauspielerei nicht. Er ist studierter Museumswissenschaftler. Aber er wirkt darstellerisch überzeugend und in seinen besten Momenten wirklich dämonisch.
Mephisto Müller führt von den historischen Gasträumen (1911 bis Dezember 1913 wurde die Mädler-Passage erbaut) in die tiefer liegenden älteren Gewölbe. Zunächst ist da das Goethezimmer. Ein herrlich neogotischer Raum mit Kreuzgewölbe, den schon Goethe gekannt haben könnte.
Es folgt noch etwas tiefer das Lutherzimmer. Der große Reformator und kleingeistige Judenhasser war tatsächlich hier, wie ein Gemälde beweist. Darauf ist er mit Namensgeber Auerbach zu sehen, der in Wirklichkeit Arzt zu Leipzig war. Die Keller gehörten unter anderem seiner Frau.
Eines der berühmtesten Restaurants der Welt

Noch eine Etage tiefer der Fasskeller. Hier war Student Goethe nachweisbar. Und hier steht auch jenes Fass, das die Faustsage begründete, bei der sich der spätere Geheimrat Goethe für seine drei Faust-Erzählungen bediente. An der Decke und an den Wänden Kunstwerke zum Fassritt von 1525.
Eine schmale Tür führt dann nach ganz unten. "Jetzt sind wir 13 Meter unter der Erde. Das ist die Hexenküche", erklärt Müller. Flackernde Kerzen erleuchten die uralten Ziegelwände und eine schwere Eisentür, die einst zur Universität führte. Kein Wunder, dass sich diese Umgebung beim Dichterfürsten nachhaltig einprägte.
Leipzig war es auch, wo er auf der Ostermesse 1808 seinen "Faust I" erstmals präsentierte. "Hier ist quasi die Zentrale der deutschen Literatur", sagt Müller und spielt kurz eine Szene aus dem deutschen Nationalstück. Ein Schauer streicht über den Rücken der Zuhörer.
"Auerbachs Keller" als Ganzes ist ausweislich Umfragen das fünftberühmteste Restaurant der Welt. Er ist zugleich Arbeitsort für 100 Mitarbeiter, erzählt Chef René Stoffregen (50). Er hat hier 1996 angefangen, Geschäftsführer ist er seit 2018.
"Die Gäste kommen aus aller Welt", sagt er stolz und lädt interessierte Gastronomen ein, den Wallfahrtsort zu ihrem Arbeitsplatz zu machen: "Wir suchen noch Mitarbeiter!"
Der Ritt auf dem Weinfass

Goethes Faust kennt jedes Schulkind. Doch die eigentliche "Sage vom Dr. Faustus" ist weitaus älter.
Eine zentrale Szene, die der Dichter später ebenfalls verarbeitete, spielt in Auerbachs Keller - und hat sogar ein Datum: Geschehen sein soll der Fassritt im Jahr 1525 (ausgeschenkt wurde dort bereits seit 1438).
Zur Story: Faust und sein dienstbarer Geist sind 1525 zur Frühjahrsmesse angereist. Von "Auerbachs Hof" steigen sie hinab in die Weingewölbe. Dem buntgemischten Publikum werden internationale Weine ausgeschenkt. Es geht hoch her.
Nach einiger Zecherei und einigem Streit, an dem Faust & Co. beteiligt sind, reitet der Doktor ein volles Fass aus den Gewölben. Vornweg sein Teufel, nun in einen Hund verwandelt.
Titelfoto: Montage: Ralf Seegers + imago images/Travel-Stock-Image