Arbeitslose Isabell (27) aus Leipzig-Grünau ratlos: "Ich krieg keine Jobvorschläge!"
Leipzig - Sie ist arbeitslos, will arbeiten, bekommt aber keinen Fuß in die Tür: Isabell (27) aus Leipzig steckt aufgrund einer Lese-Rechtschreib-Schwäche in einer schwierigen beruflichen Situation. Partner André hat immerhin einen kleinen Nebenjob.
Isabell hat keine Berufsausbildung, jobbte zwischenzeitlich für drei Jahre in einer Kita als Assistentin. Doch ihr Vertrag endete, sie wurde schwanger. Und ist seitdem arbeitslos.
"Von Maßnahme zu Maßnahme" gehe es für die Mutter, ohne wirklichen Schritt nach vorn, erzählt sie in der aktuellen MDR-Sendung "Exakt".
Aufgrund ihrer in der Schulzeit festgestellten LRS-Behinderung bringe ihr das Jobcenter auch gar nichts. "Die können mir nicht helfen. Ich krieg keine Jobvorschläge, weil ich nicht regulär vermittelbar bin." Eben aufgrund ihres Handicaps.
Immerhin ihr Freund André, ein ausgebildeter Fachlagerist, verdient sich nebenberuflich als selbstständiger IT-ler etwas dazu. Doch auch für ihn ist ein Vollzeitjob in weiter Ferne.
Der Familie helfen soll das Bildungsträgerprojekt "Stark für dich", das vom Jobcenter finanziert wird. Es gibt sozialhilfeempfangenden Familien Beratungen, hilft bei Lebensplanung, Schulden oder Sucht, eröffnet berufliche Perspektiven.
Für Isabell, das steht bei einem Beratungsgespräch schnell fest, wird es mit einem Job in der Kita als Ungelernte schwierig. Darüber ist sie zwar enttäuscht, doch es gibt anderweitige Möglichkeiten, zum Beispiel im Einzelhandel.
"Ich hoffe, dass ich irgendwann wieder in den Job, den ich mir vorstelle, reinrutschen kann. Und ich hoffe, dass es mein Kind besser hat als wir."
"Die Angebote sind zu undurchsichtig und mit zu hohen Barrieren versehen"
Der Standort des Projekts in der Plovdiver Straße 40 in Grünau ist bewusst gewählt. 34 Prozent der Bewohner von Grünau-Mitte beziehen Arbeitslosengeld 2.
Noch erschreckender: 40 Prozent der unter 15-jährigen Kinder erhalten Sozialleistungen wie Essensgeld für die Schule, Zuschüsse für Klassenfahrten - etwa dreimal so viel wie der Durchschnitt der Bevölkerung.
Claudia Noack, stellvertretende Leiterin Fortbildungsakademie der Wirtschaft in Leipzig, die ebenfalls für "Stark für dich" tätig ist: "Dadurch, dass wir zeitig anfangen, wollen wir die Bildungschancen der Kinder auch mit fördern. Eine berufstätige Mutter und ein berufstätiger Vater ist ein Vorbild", weiß sie.
Allerdings bedeute für Noack einmal Hartz IV nicht automatisch immer Hartz IV. "Die Menschen wollen ja arbeiten. Die Frage ist, wie kriegen sie den Zugang."
Fraglich ist für sie auch der Dschungel an Hilfsangeboten. 150 verschiedene Familienleistungen gibt es in Deutschland, abgerufen werden aber sicher nicht alle.
"Die Angebote sind zu undurchsichtig und mit zu hohen Barrieren versehen. Manchmal frag ich mich, ob der Zugang mit Absicht so schwierig ist. Was nicht beantragt wird, wird auch nicht abgerufen..."
Titelfoto: Waltraud Grubitzsch/dpa-Zentralbild/dpa