Korruptions-Skandal bei der Polizei: Zahlreiche Beamte aus ganz Sachsen verwickelt
Leipzig - Der Korruptionsskandal bei der sächsischen Polizei ist offenbar umfangreicher als bislang bekannt. Nach Auskunft der Staatsanwaltschaft sollen sich nicht nur Beamte der Leipziger Polizeidirektion (PD) auf dem behördeninternen Schwarzmarkt an geklauten Fahrrädern bedient haben. Die Grünen fordern eine Erklärung des Innenministers.
Seit Mitte 2019 werde in der Sache ermittelt, teilte die Leipziger Staatsanwaltschaft gestern mit. "Die Verfahren richten sich gegen eine Vielzahl von Beschuldigten, deren Identität im Rahmen der laufenden Ermittlungsverfahren zu klären sein wird. Unter den bekannt gemachten Beschuldigten sind schon jetzt zahlreiche Beamte der sächsischen Polizei, demnach nicht nur der PD Leipzig", erklärte Staatsanwältin Vanessa Fink auf Anfrage.
Den Ermittlungen zufolge soll es bereits über 100 Verdächtige geben. Auch Beamte der Bundespolizei sollen demnach zu den Käufern der gestohlenen Fahrräder gehört haben. In einem Sachstandsbericht des LKA vom Dezember war noch die Rede von "40 Beamten der PD Leipzig".
Nach Angaben von Staatsanwältin Fink reichen die Tatvorwürfe von Strafvereitelung im Amt, Diebstahl, Unterschlagung bis hin zu den Tatbeständen des Korruptionsstrafrechts (Vorteilsgewährung, Vorteilsannahme, Bestechlichkeit, Bestechung).
Die konkrete Anzahl der von der inzwischen aufgelösten Spezialabteilung "Zentrale Bearbeitung der Fahrradkriminalität" (ZentraB) illegal veräußerten Räder sei noch unklar und Gegenstand laufender Ermittlungen, so Fink.
Ermittler der LKA-Antikorruptionseinheit "Ines" gehen intern von über 1000 Fahrrädern aus, die seit 2015 von korrupten Beamten schwarz verkauft wurden.
Grüne fordern umfassende Aufklärung
Die Grünen im Landtag forderten gestern von Innenminister Roland Wöller (49, CDU) umfassende Aufklärung. "Immerhin steht hier der Verdacht eines korrupten kriminellen Netzwerkes innerhalb der Sicherheitsbehörden im Raum", erklärte ihr innenpolitischer Sprecher Valentin Lippmann (29). Und warf Wöller vor: "Durch die bisher unterlassene Information der Öffentlichkeit wird der Eindruck befeuert, man hätte Angst gehabt, mit diesem Vorgang transparent umzugehen."
Bei der nächsten Sitzung des Innenausschusses müsse der Minister über die Ermittlungen und die getroffenen Maßnahmen informieren, so Lippmann.
Wöller selbst ließ gestern erstmals eine Erklärung zum Korruptionsskandal verbreiten. Darin heißt es, dass "der Anfangsverdacht einer Straftat im Zusammenhang mit der Verwertung sichergestellter Fahrräder" erstmals im Sommer 2019 aufkam und das LKA seither ermittle. Unabhängig davon hätte die PD Leipzig "personalrechtliche Maßnahmen vollzogen".
Ob damit die heimliche Auflösung der "ZentraB Fahrrad" und die Versetzung all ihrer Beamten gemeint ist, wurde nicht erläutert.
Übrigens: Die Hauptverdächtige des Korruptionsskandals, die für die Verwaltung der Asservaten zuständige Polizeibeamtin Anke S. (43), wurde einstweilen zum Kriminaldienst eines Polizeireviers versetzt. Sie soll sich allerdings aktuell im Krankenstand befinden.
Titelfoto: dpa/ Sebastian Willnow