Himmel voller Geigen: Ahnenforschung führte Leipzigerin zum Instrumentenbau
Von Thomas Gillmeister
Leipzig - Es war wohl ein Wink des Schicksals, als sie sich auf die Spuren ihrer Ahnen begab und dabei feststellte, dass sie aus einer berühmten sächsischen Geigenbauer-Dynastie abstammt. Anna Karoline Meinel (37) sah es als Zeichen und nahm die Familientradition wieder auf. Heute baut die Leipzigerin auch nach dem Vorbild ihrer Vorfahren Geigen und repariert sie.
Unter dem Dach eines idyllischen Häuschens, das aus einem Rosamunde-Pilcher-Film stammen könnte, hat sich die Handwerksmeisterin ihr eigenes ruhiges Reich geschaffen. Aus dem Hintergrund dringen ganz leise Geigenklänge. So hat sie täglich im Ohr, was unter ihren geschickten Händen entstehen kann.
Für eine Geige sind rund 500 Arbeitsschritte notwendig. Ein bis zwei neue Instrumente fertigt Anna Karoline im Jahr. Sonst repariert sie vor allem Geigen.
Sie können ein biblisches Alter erreichen. Ein paar hundert Jahre sind keine Seltenheit. Und so bekommt die Sächsin mittlerweile historische Schätze aus aller Welt zur Reparatur geschickt, die von ihren Vogtländer Vorfahren stammen. Dort begannen die Ahnen von Anna Karoline, die Geigenbauerfamilien Hoyer und Meisel, im frühen 18. Jahrhundert mit ihrem Handwerk.
Davon wusste die Leipzigerin lange Zeit nichts, denn die Tradition endete um 1900.
Durch Ahnenforschung zum Geigenbau: "Das war ein richtiges Abenteuer für mich"
Aber mit 13 Jahren begann die Tochter einer Geschichtslehrerin nach der Schule mit der Stammbaum-Spurensuche.
"Das war ein richtiges Abenteuer für mich", erinnert sich die Hobby-Ahnenforscherin. Sie befragte ihre Großeltern und spürte alte Zeugnisse aus der Geigenbaugeschichte auf. "Und je mehr ich mich in sie vertiefte, umso stärker wurde mein Wunsch, das altehrwürdige Handwerk zu lernen. Übrigens als erste Frau in der Familientradition", stellte Anna Karoline bei ihren Erkundungen fest.
Die Voraussetzungen waren ideal: Sie ist musikalisch, spielt mehrere Instrumente, kann gut mit Holz umgehen und bearbeitet es gern. Die handwerklich Geschickte lernte Geigenbauerin und studierte danach Streichinstrumentenbau.
Als sie ihr Diplom und den Meisterbrief in der Tasche hatte, sammelte sie in Österreich bei einem bekannten Grazer Geigenbauer Erfahrungen. Danach erfüllte sie sich ihren lang gehegten Traum von einem eigenen Atelier.
Hier verarbeitet sie traditionell Fichte, Bergahorn und Ebenholz. "Eine Geige zu fertigen ist ein sehr sinnlicher Job", erzählt die bescheidene Expertin und ergänzt: "Jedes Instrument klingt wirklich anders. Ich habe mich dabei auf die traditionsreichen lieblichen Barockgeigen meiner Vorfahren spezialisiert."
Titelfoto: Kerstin Dölitzsch/Picture Point