Gay Pride und Christopher Street Day in Leipzig: Ein Rückblick
Leipzig - Es ist kein Geheimnis, dass die Wende für den Osten eine bedeutsame Zeit des Umbruchs war. Auch in Leipzig gab es große Veränderungen, was für die queere Community vor Ort neue Chancen aber auch Herausforderungen mit sich brachte. Kurz nach der Wende wurde zum Beispiel der Christopher Street Day in Leipzig ins Leben gerufen, wie Kathrin Darlatt und Peter Thürer, zwei Gründungsmitglieder des Leipziger CSD in dem Inside CSD Podcast erzählten.
Woher kommen Gay Pride und der Christopher Street Day?
Pride Month wird gefeiert, um an die Stonewall Riots zu erinnern, bei denen sich am 28. Juni 1969 Besucherinnen und Besucher des Stonewall Inns in der Christopher Street in New York City spontan gegen eine routinierte, brutale Kontrolle der Polizei wehrten und sie gewaltsam vertrieben.
Diese Proteste sind im kollektiven Gedächtnis als einer der ersten queeren Aufstände verzeichnet, weswegen seither im Juni mit Aufmärschen und Demozügen, oft Christopher Street Day oder einfach Pride genannt, an diesen Widerstand erinnert wird.
In Deutschland waren das Ende der 1960er ebenfalls eine bedeutende Zeit im Kampf für die Rechte von LGBTQ Menschen.
In dieser Zeit entstanden laut dem Lesben- und Schwulenverband (LSVD) die ersten homosexuellen Protestbewegungen, die sich aktiv als "homosexuell" anstatt "humanitär" oder "homophil" bezeichneten.
Christopher Street Day wurde hierzulande allerdings erst 1979 gefeiert.
Queeres Leben in Leipzig nach der Wende
1990 wurde mit der Wende in Leipzig eine neue Verwaltung aufgebaut.
Im Parlament engagierten sich ein offen schwuler Stadtrat und eine offen lesbische Stadträtin und forderten die Vertretung von queeren Menschen in der Stadtverwaltung ein, erzählten Kathrin Darlatt und Peter Thürer.
Dadurch wurde das Referat "Beauftragte für Menschen gleichgeschlechtlicher Lebensweise" ins Leben gerufen, für das sowohl Kathrin als auch Peter ab 1991 arbeiteten.
Doch ihre Arbeit brachte große Herausforderungen mit sich. "Es war ja ganz schwierig, offen mit dem Thema Homosexualität, schwul, lesbisch, von trans war ja überhaupt noch nicht die Rede, umzugehen und sich auch selbstbewusst in der Öffentlichkeit zu zeigen", erzählte Kathrin.
Besonders von Rechtsradikalen ging plötzlich ein erhöhtes Gewaltpotenzial aus, fuhr Peter fort. So kam es damals beispielsweise zu einem gewaltvollen Übergriff auf ein schwul-lesbisches Lesecafé, welches dabei komplett zerstört wurde.
Diese Gewaltbereitschaft, gekoppelt mit anderen Faktoren, wie der ansteigenden Arbeitslosigkeit und Chancen auf besseren Verdienst in den alten Bundesländern, sorgte für eine hohe Abwanderung aus Leipzig, welches die queere Community stark dezimierte.
Der erste Christopher Street Day in Leipzig
Doch auch dies brachte Kathrin und Peter nicht davon ab, gegen Diskriminierung ankämpfen zu wollen.
Gestärkt durch ihren Einfluss als Angestellte in der Stadtverwaltung, organisierten sie, gemeinsam mit anderen engagierten Aktivistinnen und Aktivisten, 23 Jahre nach den Stonewall Riots, den ersten CSD in Leipzig.
Dafür fertigten sie per Handarbeit Flyer an und verteilten diese in der Stadt. Eingeladen zum Protest waren nicht nur queere Menschen, sondern auch Politikerinnen und Politiker, sowie alle Bürgerinnen und Bürger Leipzigs.
Die Demonstration fand am 28. Juni 1992 unter dem kämpferischen Motto "Lesben und Schwule in die Verfassung!" statt, zu der sich knapp 100 Menschen an der Moritzbastei versammelten.
Dort gab es später auch eine Podiumsdiskussion mit Landespolitikerinnen und -politikern, moderiert von der DDR-Schwulenikone Eddy Stapel, über die Aufnahme von Schwulen und Lesben in die sächsische Verfassung. "Es war eine tolle Stimmung", erinnerte sich Peter. "Das hat danach auch ein gutes Gefühl gemacht."
Dieser erste, erfolgreiche CSD verlieh sowohl Kathrin als auch Peter Stärke und Inspiration, erzählten die zwei. Auch der zweite CSD sei gut verlaufen.
Eventueller Einbruch vom Leipziger CSD
Doch der Erfolg hielt nicht lange an. 1993 wurde versucht, gemeinsam mit Chemnitzer Aktivistinnen und Aktivisten eine schwul-lesbische Sommerparty zu etablieren. Aber diese war schlecht besucht, nicht einmal 50 Menschen nahmen teil, erinnerte sich Kathrin.
1994 organisierten sie also stattdessen eine Programmwoche mit verschiedenen Veranstaltungen unter dem Motto "25 Jahre Stonewall". Demos gab es in dem Jahr keine.
1995 versuchten sie gemeinsam mit den Jugendgruppen, die sie gegründet hatten, eine Aktion im Salzgässchen zu veranstalten, um Homosexualität zu normalisieren.
Aber nur wenige Menschen wollten gern mit dem Thema in Verbindung gebracht werden - und so war auch diese Aktion eher schlecht besucht. In den Jahren darauf gab es noch einige gemeinsame sächsische CSDs.
Die Veranstaltungen in geschützten Räumen, fernab der Öffentlichkeit, waren meist gut besucht, aber zu den Demonstrationen nach Dresden trauten sich nur wenige. "Das ganze Jahrzehnt war es noch schwierig, richtig offen mit diesem Thema umgehen zu können", erklärte Kathrin.
In dieser Zeit lösten sich aufgrund großer Abwanderungen und fehlendem Engagement viele queere Vereine auf. Ende der 90er verlief sich der CSD in Leipzig dann endgültig im Sand.
Die bestehenden Vereine forderten zwar, dass die Verwaltung den CSD weiter organisierte, aber Kathrin erklärte, dass solch eine Demonstration "von unten" organisiert werden müsste und nicht alleine von der Stadt getragen werden könne.
Wiederaufbau des Christopher Street Day in Leipziger
Erst 2003 ging es mit einem neuen Format für den CSD wieder los. Organisiert durch eine neue Studierendenschaft, die, laut Peter, "einfach Power hatte und was Neues anfangen wollte".
Dafür organisierte der Studierendenrat eine Programmwoche, mit einer kleinen Party an der Universität, bei der eine überdimensionale Regenbogenfarbe entrollt und gehisst wurde.
Das Ganze dauerte nur 20 Minuten an, aber war die erste öffentliche Veranstaltung seit Jahren. "Alles muss bescheiden beginnen", hieß es auf dem Flyer zu der Veranstaltung.
2004 begann die neue Bewegung des heutigen CSD. "Die CSDs sind mit einer Dynamik gewachsen, die, echt, mich fast vom Hocker gehauen hat", erzählte Peter. "Ich fand's so toll, dass immer wieder neue Menschen sich engagiert haben, ehrenamtlich, und Jahre auch dabeigeblieben sind."
Das CSD-Plenum beschrieb Kathrin als ein "basisdemokratisches, ehrenamtliches Gremium". Sie sei dankbar, dass es einen guten Generationenaustausch dort gäbe.
Der diesjährige CSD, der am heutigen Freitag beginnt, wird mit 38 Veranstaltung über acht Tage gefeiert. Das inzwischen traditionelle Hissen der Regenbogenflagge am Neuen Rathaus findet als Auftakt am 7. Juli um 16 Uhr statt. Die große Demonstration wird am 15. Juli um 11.30 Uhr am Augustusplatz beginnen.
Titelfoto: Sebastian Willnow/dpa