Expertenstreit um vierbeinige Supernasen: Wie gut sind die Schnüffler wirklich?
Leipzig/Rothenburg - "Können Mantrailer-Hunde DNA riechen? Ja, sie können!" twitterte die Polizei Sachsen im Januar 2018 eine Sensation. Weltweit wurde berichtet, auch TAG24 jubelte mit. Doch die zugrunde liegende Studie des Polizeidirektors Leif Woidtke steht inzwischen unter Beschuss. Sogar von Wissenschaftsbetrug ist die Rede.
Gemeinsam mit zwei Wissenschaftlern des Rechtsmedizinischen Institutes der Uni Leipzig führte Woidkte zwischen 2014 und 2017 exakt 675 Fährten-Tests mit den Spürhunden durch.
Für jeden Test wählten die Forscher zufällig aus drei Geruchsproben aus: Person I, Person II oder eine Niete - als Kontrolle, dass Hunde keinen zu Unrecht beschuldigen.
Studienleiter Woidtke behauptete damals, dass die tierischen Spürnasen zu 98 Prozent richtig lagen. Es genügte auch lediglich eine isolierte DNA-Probe der Person. Selbst nach Monaten könne der Hund den Geruch einer Person richtig zuordnen.
Für Woidtke waren die Ergebnisse deshalb so wichtig, damit Gerichte - etwa in Strafverfahren - den durch Spürhunde angezeigten Fakten Beweiskraft zumessen.
Tatsächlich wird der Polizeidirektor mit den Mantrailer-Hunden öfter als Gutachter bestellt. In Brandenburg stand 2017 ein Mann in Verdacht, mehrere Geldautomaten gesprengt zu haben. Woidtkes Hunde Hermine und Hippie erschnüffelten angeblich 54 Tage nach der Tat Indizien gegen den Angeklagten.
Er wurde trotzdem frei gelassen, die Richter schrieben vernichtende Zweifel an den Methoden der sächsischen Ermittler ins Urteil.
Erschreckende Mängel festgestellt
An Woidtkes bahnbrechender Studie wurden jetzt erschreckende Mängel festgestellt.
Die Fachzeitschrift "Forensic Sience International" versah die Erstveröffentlichung mit einem "Ausdruck der Besorgnis". Deren Herausgeber entschuldigen sich bei ihren Lesern und warnen gleichzeitig, die Ergebnisse der Studie mit Vorsicht zu genießen - besonders bei Anwendung auf forensische Fälle.
Die Überprüfung ins Rollen brachte Kai-Uwe Goss, Professor für Umweltchemie am Leipziger Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung. Ihm war aufgefallen, dass die Hunde laut Datenlage nach zu wenigen Nieten suchten.
Bei 675 Testläufen hätten es etwa 225 Negativproben sein müssen, es waren aber nur 158. Wenn dies ein Zufall wäre, läge seine Wahrscheinlichkeit bei Eins zu 88 Millionen. Weitere methodische Mängel fanden sich.
Trotz Vorwürfen: Rechtsmedizinisches Institut verlieh Doktortitel
In einem Brief an Leipzigs Uni-Rektorin Beate Schücking fasst Goss seine Vorwürfe zu wissenschaftlichem Fehlverhalten zusammen: "Manipulation von Statistiken durch Auslassen von Daten, Manipulation von Tests und die Weigerung, die Rohdaten vorzulegen."
Die Uni ermittelt auf mehreren Ebenen, zumal auch die Deutsche Forschungsgemeinschaft Druck macht.
Obwohl dem Rechtsmedizinischen Institut die Vorwürfe bekannt waren, verlieh es Leif Woidtke im Dezember den Doktortitel. Die "öffentliche" Verteidigung fand hinter verschlossenen Türen statt, die Inhalte der Manipulationsvorwürfe wurden nicht angesprochen.
Bei der Hochschule der Sächsischen Polizei in Rothenburg, in der Leif Woidtke als Dozent tätig ist, beobachtet man den Vorgang auch.
Kommunikationsleiter Thomas Kaup: "Grundsätzlich ist anzumerken, dass Herr Dr. Woidtke seine Forschungen zu dem benannten Themenfeld nicht im dienstlichen Auftrag und somit mit privater Interessenlage geführt hat, wenngleich unbestritten mit Verknüpfungen zu dienstlichen Belangen."
Titelfoto: Hendrik Schmidt/dpa; 123rf/elnradrf / Montage