Das ist Deutschlands einzige Bauhaus-Kirche
Leipzig - Sommerzeit ist Reisezeit. Die Tage sind lang und meist lau, Fernweh macht sich breit. Doch in Zeiten deftiger Teuerungen und unsicherer Fernverbindungen lohnt ein Blick in die Heimat. Wohl dem, der in Sachsen lebt. Der Freistaat ist reich an Sehenswürdigkeiten. Doch es muss nicht das prachtvolle Schloss oder die alte Burganlage sein - zwischen Zwickau und Zittau befinden sich zahlreiche geheimnisvolle Orte, die eine Entdeckung wert sind. Die TAG24-Sommerserie hat sie aufgespürt. Heute: Deutschlands einzige Bauhaus-Kirche.
Düster, verstaubt, immer ein wenig zu kalt. Alte Kirchen können bei aller kulturhistorischen Bedeutung Orte sein, in die der Nichtchrist lieber nur kurz reinschaut.
Im Leipziger Norden findet sich ein Gotteshaus, das da völlig aus der Art schlägt. Die einzige deutsche Bauhaus-Kirche.
"So etwas wie unsere Versöhnungskirche gibt es europaweit nur noch einmal in der Schweiz", sagt Joachim Schäfer (73), Kirchenvorstand in Leipzig-Gohlis.
An seiner Seite Pfarrer Stefan Zieglschmid (58). Beide stehen vor dem schneeweißen kantigen Bau und lassen die Besucher aus der Landeshauptstadt erstmal eine Runde staunen.
Die Kirche wurde von 1930 bis 1932 nach einem Entwurf des Architekten Hans Heinrich Grotjahn erbaut.
"Ab 1995 wurde sie 20 Jahre lang denkmalgerecht saniert", berichten sie stolz. In diesem Jahr wird der 90. Geburtstag gefeiert.
Jesusfigur statt Kruzifix
Drinnen die erste Überraschung: Statt eines Kruzifixes schmückt eine riesige segnende Jesusfigur den Altarraum - clever beleuchtet durch einen Lichtschein von oben.
Schäfer deutet auf ein Holzgitter rechts daneben: "Die Orgel. Diese Anordnung ist für Kirchen äußerst ungewöhnlich." Wie gesandt steht in diesem Moment Organist Christian Otto (39) im Raum und lockt auf die Empore. "Ich muss Ihnen etwas zeigen!"
Verschmitzt öffnet er ein weißes Pult, das sich als Orgeltisch entpuppt. "Original 1930. Das Besondere: Ich kann die Orgelpfeifen auf elektrischem Weg ansteuern", sagt Otto und bedient ein paar Schalter.
Dann deutet er auf einen historischen Telefonhörer, der neben den Tasten hängt. Weil der Organist nicht das gesamte Kirchenschiff überblicken kann, kommunizierte er darüber früher "mit unten", zum Beispiel wenn Hochzeitspaare Einzug hielten. Otto haut in die Tasten: "Ebenfalls frisch saniert. Ein herrlich fülliger Klang."
Die wohl beste Aussicht auf ganz Leipzig
Dann der Weg nach ganz oben. Über den innen in modernen Pastellfarben getünchten Glockenturm erreichen wir eine Aussichtsplattform.
Von hier gibt es die wohl beste Aussicht auf ganz Leipzig. Weit hinten das Kraftwerk Lippendorf, etwas weiter vorn Völkerschlachtdenkmal, noch weiter vorn Uniriese, Neues Rathaus und die RB-Arena.
Besonders von hier oben zeigt sich, wie grün Sachsens größte Stadt doch ist.
Auf dem Rückweg ein kurzer Abstecher zu den Glocken. Die größte ist eine Nachkriegsanfertigung aus Stahl. Sie rostet und muss darum restauriert werden. Spenden sind willkommen.
Willkommen sind aber auch Gäste, die sich die Kirche anschauen oder Brautpaare, die hier getraut werden möchten. Vielleicht in der kleinen Kapelle, durch deren wunderschön bemalte Fenster aus der Bauhaus-Zeit weiches Licht fließt.
Diese Siedlung ist 'ne runde Sache
Die flächenmäßig größte Anlage der Stadt aus der Bauhaus-Zeit befindet sich in Leipzig-Lößnig.
Dort entstand 1929 bis 1931 ein Quartier mit kreisförmigen Straßen. Daher der Name "Rundling".
Tatsächlich handelt es sich dabei um die "Nibelungensiedlung".
Es gibt 24 Häuser mit insgesamt 609 Wohnungen.
Viele der Sozialwohnungen versanken bei Bombenangriffen im Zweiten Weltkrieg in Trümmern.
Nach der Wiedervereinigung wurden die Lücken den historischen Vorbildern gemäß wieder aufgebaut und sind heute von den anderen Häusern nicht zu unterscheiden.
Witzig: Am Rande der Siedlung befindet sich ein runder Verkaufspavillon von 1931, darin der Kiezbäcker.
Titelfoto: Norbert Neumann