Robert (32) im Leipziger "Spizz" vermöbelt: "Einer hat festgehalten, einer draufgeschlagen!"

Leipzig - Die Attacke auf einen Gast (32) in der Leipziger Tanzbar "Spizz" ist exakt zwei Wochen her, doch noch ist der Fall - auch wegen konträrer Schilderungen - nicht aufgeklärt. Wegen Homophobie-Anschuldigungen ermittelt auch der Staatsschutz. Über die blutige Gewalteskalation, zu der es aus Sicht aller Beteiligter nicht hätte kommen dürfen, hat TAG24 exklusiv mit dem Opfer, dem "Spizz"-Geschäftsführer und der Staatsanwaltschaft gesprochen.

Robert Hebestreit (32) mit blutverschmiertem Gesicht kurz nach der Auseinandersetzung.
Robert Hebestreit (32) mit blutverschmiertem Gesicht kurz nach der Auseinandersetzung.  © Bildmontage: Instagram/robert_hebestreit

"Noch immer fassungslos und geschockt" über den Vorfall erreichen wir Robert Hebestreit in Berlin. Immer noch ist er schwer gezeichnet von der Prügelei in der Nacht zum 22. Mai, bei der er Brüche im Gesicht erlitten hat. Nach mehreren OPs wurde nun auch noch ein Loch im Trommelfell entdeckt, das möglicherweise operativ behandelt werden muss.

Für TAG24 rekonstruierte der Set-Aufnahmeleiter von "Berlin - Tag & Nacht" die verhängnisvolle Nacht, durch die er noch mehrere Wochen arbeitsunfähig sein wird, aus seiner Sicht.

Gemeinsam mit seinem Partner Patrick (28) und zwei weiteren Bekannten reiste der 32-Jährige am 21. Mai in die Messestadt, um in den 30. Geburtstag eines Freundes hineinzufeiern. Etwa 30 Gäste begannen den Abend zunächst im "Barfusz" und wechselten nach Mitternacht dann ins "Spizz".

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In einem für die Gruppe abgesperrten Bereich habe er sich "zu 90 Prozent" aufgehalten. "Das war mein Safe-Space und ich dachte, ich kann mich dort so verhalten, wie ich auch in Berlin bin. Wenn es mir zu warm ist, ziehe ich halt mein Oberteil aus." Genau das untersagt die Kleiderordnung des "Spizz" aber.

Niemand der anderen Gäste habe sich über seinen nackten Oberkörper beschwert. "Im Gegenteil, ich wurde sogar als eine Art Animateur gefeiert", so Hebestreit. Jenes Verhalten sei aber - "egal, welche sexuelle Ausrichtung man hat - unangenehm", findet "Spizz"-Geschäftsführer Henrik Dantz (50). Daran ändere auch ein sportlich-ästhetischer Körper nichts.

Später habe ein Türsteher ihn gebeten, sein Oberteil anzuziehen. "Ich habe aber nicht auf ihn gehört", gibt der 32-Jährige zu.

Foto von Robert Hebestreit mit seinem Freund Patrick kurz vor der Auseinandersetzung

Partygast in Leipziger Tanzbar verprügelt: "Teilweise haben mich sogar Leute ausgelacht!"

Der Vorfall ereignete sich in der Nacht zum 22. Mai 2022 im "Spizz" am Leipziger Markt. (Archivbild)
Der Vorfall ereignete sich in der Nacht zum 22. Mai 2022 im "Spizz" am Leipziger Markt. (Archivbild)  © Peter Endig/dpa-Zentralbild/dpa

Nach einer Weile sei der Türsteher mit einem Kollegen wiedergekommen. "Dann wurde der Tonfall auch anders, ich habe mich unglaublich über die aufgeregt", erinnert sich der Geschädigte, der sich laut Dantz erneut nicht an die Aufforderungen gehalten und die Angestellten der Securityfirma provoziert habe.

Mit seinem Partner, der ihn "zurückgehalten" habe, wollte er daraufhin die Tanzbar gegen 3 Uhr verlassen und ging "wütend durch die Menge zur Garderobe", so der Wahl-Berliner.

Die folgende Eskalation kann er nicht mehr lückenlos wiedergeben. Hebestreit erinnert sich aber, dass er die Türsteher fragte: "Warum tut ihr mir das an?" Dann sei er von einem der Männer mit dem Unterarm und in einer Art Würgegriff an eine Wand gedrückt worden - "da hat er mir dann eine geklatscht".

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Er sei die Treppen nach oben geschleift und im Raucherbereich von mindestens zwei Personen attackiert worden. "Eine hat mich festgehalten und eine zweite hat draufgeschlagen!" Die Polizei Leipzig ermittelt derzeit sogar gegen drei Security-Mitarbeiter (22/afghanisch, 36/iranisch, 44/deutsch) wegen des Anfangsverdachts der gefährlichen Körperverletzung.

Wer die schwerwiegenden Verletzungen tatsächlich verursacht hat, scheint noch unklar zu sein. "Es waren auch außenstehende, nicht von mir beauftragte Dritte beteiligt", erzählt Henrik Dantz.

Erst im Außenbereich sei der 32-Jährige wieder zu sich gekommen, dort sei ihm nicht geholfen worden. "Teilweise haben mich sogar Leute ausgelacht. Ich habe mich lost gefühlt." Auch sein Freund habe zunächst die Dramatik nicht gesehen. "Dass die mich so zugerichtet haben, konnte er nicht wissen."

Nach mehreren Operationen ist der 32-Jährige noch wochenlang arbeitsunfähig.
Nach mehreren Operationen ist der 32-Jährige noch wochenlang arbeitsunfähig.  © Bildmontage: Instagram/robert_hebestreit

Fotos aus dem Rettungswagen, um die Tat zu dokumentieren

Für den Geschädigten war Vorfall klar homophob.
Für den Geschädigten war Vorfall klar homophob.  © Bildmontage: Instagram/robert_hebestreit

Um seine Situation zu dokumentieren, machte er unter anderem im Rettungswagen Fotos. Für Außenstehende durchaus fragwürdig, doch der Geschädigte hat dafür eine Erklärung. Vor sieben Jahren sei der damalige Berufsschüler von einem Radfahrer angefahren worden, was seine Klassenkameraden zwar miterlebten, später aber keine Zeugenaussagen machen wollten.

"Deswegen habe ich sofort mein Handy gezückt und versucht, alles aufzunehmen", sagt Hebestreit, für den der Vorfall "ganz klar homophob" gewesen ist. "Wie kann man einen Menschen, der eigentlich nichts gemacht hat, so zurichten? Ich kann's mir nicht anders erklären."

Eine andere Sicht gibt es aus dem "spizz". In Bezug auf sein Lokal könne der Chef Homophobie als Grund "grundlegend" ausschließen. Dantz: "Wir sind ein sehr divers-orientierter Laden mit einem bunten Mitarbeiterkreis aus Lesben, Schwulen, Transvestiten und Transgendern. Dadurch haben wir auch viele Gäste aus diesem Bereich, was schön ist, weil wir sehr weltoffen und bunt sind."

Oberstaatsanwalt Ricardo Schulz konnte Homophobie in diesem Tatzusammenhang gegenüber TAG24 weder bestätigen noch dementieren. "Dies wird frühestens mit Abschluss der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen erfolgen können."

Mit Perlenkette, Make-up, lackierten Fingernägeln und Tattoo mit zwei nackten Männern sei Robert Hebestreit klar als schwul erkennbar gewesen. Dantz aber entgegnet: "Weil man eine Kette trägt und lackierte Fingernägel hat, ist man nicht automatisch schwul. Und das Tattoo sieht man im dunklen Club auch nicht."

Möglicherweise hat bei der Auseinandersetzung aber auch Alkohol eine Eskalation begünstigt. Laut des "Spizz"-Chefs wurde der gesamten Gruppe in dieser Nacht "sehr viel Alkohol verkauft" und das Opfer sei laut seiner optischen Wahrnehmung "sehr stark angetrunken" gewesen.

Wollte Homophobie als Grund für den Verlauf der Auseinandersetzung weder bestätigen noch dementieren: Oberstaatsanwalt Ricardo Schulz.
Wollte Homophobie als Grund für den Verlauf der Auseinandersetzung weder bestätigen noch dementieren: Oberstaatsanwalt Ricardo Schulz.  © Ralf Seegers

Leipziger "Spizz"-Boss Henrik Dantz: "Dem Geschädigten ist wirklich viel passiert und das tut mir leid!"

Henrik Dantz (50) ist neben dem "Spizz" unter anderem auch Geschäftsführer des benachbarten "Barfusz" im Barfußgässchen.
Henrik Dantz (50) ist neben dem "Spizz" unter anderem auch Geschäftsführer des benachbarten "Barfusz" im Barfußgässchen.  © Hendrik Schmidt/dpa-Zentralbild/dpa

Henrik Dantz betreibt seit zwei Jahren das "Spizz" das wegen Corona aber anderthalb Jahre geschlossen war. Die eingesetzte Security-Firma habe unter seinem Vorgänger schon mehr als 20 Jahre problemlos für die Tanzbar gearbeitet. Dass jemand des Ladens verwiesen werde, passiere dabei nahezu täglich: "Es gibt immer Leute, die sich daneben benehmen."

Andererseits könne er nicht in die Köpfe des über eine externe Firma beschäftigten Personals schauen: "Es kann jemand zehn Jahre an der Tür stehen und im elften Jahr macht er etwas Falsches. Ich würde für niemanden bei so einem Thema meine Hand ins Feuer legen."

Irgendetwas Unvorhergesehenes muss vorgefallen sein, "sonst wäre das so nicht passiert. Grundsätzlich haben die geschulten Türsteher richtig gehandelt, aber in der Endkonsequenz ist es zu hart gewesen", sagt Dantz, der dem Sicherheitspersonal aber auch keine Schuld absprechen will: "Dem Geschädigten ist wirklich viel passiert und das tut mir leid. Ich hoffe, dass es keine bleibenden Schäden gibt."

Dem 50-Jährigen liegt umfangreiches Videomaterial aus der Tatnacht vor, das auch an die Behörden übermittelt wurde. "Ich kann die Videos zwar deuten, aber ich bin kein Staatsanwalt und kein Richter. Ich will mir nicht anmaßen, was normal, übergriffig, Notwehr oder übertriebene Gewalt ist."

Sicherheitsfirma wird weiterbeschäftigt: "Natürlich haben wir besprochen, dass das so nicht geht!"

Mit der Sicherheitsfirma, die er weiterhin beschäftigen wird, wurde sich ebenfalls ausgetauscht. "Natürlich haben wir besprochen, dass das so nicht geht. Ich möchte nicht, dass Gäste verletzt aus meinem Laden gehen."

Trotz tagelanger Antwortmöglichkeit wollte das Security-Unternehmen gegenüber TAG24 keine Stellung beziehen.

Wenn Ihr den Vorfall in der Nacht zum 22. Mai 2022 im "Spizz" am Markt beobachtet und Euch noch nicht gemeldet habt oder andere Hinweise geben könnt, meldet Euch bitte beim Polizeirevier Leipzig-Zentrum, Dimitroffstraße 1 in 04107 Leipzig, Tel. (0341) 966-34224.

Titelfoto: Bildmontage: Instagram/robert_hebestreit

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