Ermittlungen im "Fahrradgate": 201 Verdächtige, aber nur 2 Anklagen im Korruptionsskandal der Polizei
Leipzig - Im Korruptionsskandal um gestohlene Fahrräder bei der Polizei hat die Generalstaatsanwaltschaft die Ermittlungen abgeschlossen. Das Ergebnis: Von ursprünglich 201 Verdächtigen aus Polizei- und Justizbehörden sowie deren Verwandtschaft müssen sich nur zwei Beschuldigte vor Gericht verantworten, zwei weitere kassierten inzwischen rechtskräftige Strafbefehle. Alle anderen Verfahren wurden eingestellt.
Das ist erstaunlich: Nach fast vierjähriger Ermittlungszeit im sogenannten "Fahrradgate" der Polizei kommt die Generalstaatsanwaltschaft zu dem Schluss, dass zwei untere Dienstgrade der "Zentrale Bearbeitung Fahrradkriminalität" (ZentraB) für einen der größten Korruptionsskandale in den Reihen der sächsischen Polizei die Verantwortung tragen sollen.
Die Polizeihauptmeisterin Anke S. (46) wurde durch das Landgericht angeklagt. Die Vorwürfe gegen die ehemalige Asservatenverantwortliche lauten laut Anklage auf Bestechlichkeit in Tateinheit mit Diebstahl und Verwahrungsbruch in 96 Fällen, davon in 39 Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung sowie Diebstahl in Tateinheit mit Verwahrungsbruch in 59 Fällen, davon in sieben Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung.
Das Landgericht hat das Verfahren bereits eröffnet, aber noch nicht terminiert.
Ihr Kollege, der Polizeihauptmeister Volker K. (60), wurde durch das Amtsgericht angeklagt. Die Generalstaatsanwaltschaft wirft ihm Diebstahl, Verwahrungsbruch, Bestechlichkeit sowie Beihilfe zur Bestechlichkeit in insgesamt sieben Fällen vor.
Auch das Amtsgericht hat das Verfahren bereits eröffnet, aber noch nicht terminiert.
Fast alle Verfahren gegen Beamte und deren Verwandte eingestellt
Insgesamt 265 sichergestellte Fahrräder sollen den Ermittlungen zufolge bei der ZentraB strafrechtlich relevant den Besitzer gewechselt haben.
Die Verfahren gegen die 189 ermittelten Erwerber - allesamt Polizisten, Angestellte von Polizei und Staatsanwaltschaft sowie deren Verwandtschaft - wurden fast gänzlich eingestellt.
Laut Generalstaatsanwaltschaft erfolgten 96 Einstellungen wegen des Fehlens eines hinreichenden Tatverdachts (§ 170 StPO), drei Einstellungen wegen geringer Schuld (§ 153 StPO) und eine Einstellung, weil die Strafe gegenüber einer weiteren Maßregel nicht beträchtlich ins Gewicht gefallen wäre (§ 154 StPO).
Gegen weitere 81 Beschuldigte wurden die Verfahren gegen Geldauflage (§ 153 a StPO) eingestellt. Gegen sieben Fahrrad-Erwerber wurden Strafbefehle beantragt - wobei am Ende nur zwei rechtskräftig erlassen wurden. In fünf Fällen stellten Richter die Verfahren gegen Geldauflagen ein.
Fahrräder sollten eigentlich an gemeinnützige Vereine abgegeben werden
Interessant auch: Sämtliche Vorgesetzten-Verfahren gegen insgesamt sieben verantwortliche Polizeiführer, die im Verdacht der Strafvereitelung im Amt standen, stellte die Generalstaatsanwaltschaft am Ende wegen fehlenden Tatnachweises (§ 170 StPO) ein.
Immerhin räumte die Generalstaatsanwaltschaft mit der Legende auf, dass die behördenintern illegal vertickten Fahrräder für die Verschrottung vorgesehen waren.
"Die ganz überwiegende Zahl der Fahrräder war für eine Abgabe an gemeinnützige Vereine vorgesehen - nur ein geringer Teil der Räder sollte verschrottet werden", stellte Behördensprecherin Sabine Wylegalla auf TAG24-Anfrage klar.
Titelfoto: Tino Plunert