Femizide: Justiz möchte Strafmaß verschärfen, sind klassische Rollenbilder schuld?
Leipzig - Der Leipziger Auwald-Mord ist nur ein tragisches Beispiel für ein Phänomen, welches die Uni Leipzig aktuell untersucht: den Femizid, also die Tötung von Frauen aus geschlechtsspezifischen Hintergründen. Wie die MDR-Kultserie "Kripo Live" zeigte, fehlt es an Daten rund um die neue Betrachtungsweise von Gewalt- und Tötungsdelikten - und an Prävention.
Anfang April 2020 wurde der Leipziger Auwald zum Tatort eines schrecklichen Verbrechens: Edris Z. (30) erschlug aus Rache und Eifersucht seine Ex-Freundin Myriam Z. (†37), die gerade mit ihrem neugeborenen Baby spazieren gehen wollte, mit einem Hammer.
Nachdem die Mutter die Beziehung zum Täter beendet hatte, hatte er sie bereits mehrere Monate lang gestalkt und belästigt, auch ein Freund der 37-Jährigen war im Zuge dessen von Z. verletzt worden.
Eine Tat wie diese ist kein Einzelfall: Laut einer Polizeistatistik von 2020 wurden in jenem Jahr 148.0000 Menschen Opfer häuslicher Gewalt, davon 80,5 Prozent Frauen. Bei 132 Opfern endete die Gewalt tödlich.
Oftmals ist in solchen Fällen wie dem der getöteten Myriam Z. von einem Familiendrama oder einer Beziehungstat die Rede. Die Leipziger Professorin Doktor Katharina Beckemper nennt das Problem aber bei einem Namen.
"Wenn ich dich nicht haben kann, kriegt dich keiner!"
"Unter einem Femizid versteht man die Tötung einer Frau aus geschlechtsspezifischen Gründen, zum Beispiel Menschenhandel, Ehrenmorde, Zwangsprostitution oder auch Amokläufe, wenn diese gezielt gegen Frauen gerichtet sind. Die größte Gefahr lauert aber im Privatleben, wenn etwa falsches Herrschaft- oder Besitzdenken im Spiel ist. Ganz im Sinne von: 'Wenn ich dich nicht haben kann, kriegt dich keiner'", erklärte die Leipziger Professorin gegenüber "Kripo Live".
Doch wie kann es von gekränkter Männlichkeit zu einem Kapitalverbrechen kommen? "Meisten sind die Männer mit klassischen Rollenbildern sozialisiert worden, das heißt, der Mann geht zur Arbeit, die Frau macht den Haushalt und kümmert sich um die Kinder. Wenn dieses Konzept aber nicht mehr funktioniert und die Männer dieses Leben nicht mehr im Griff haben, dann stehen sie vor großen Problemen, darauf angemessen zu reagieren", weiß Max Lindner, der Leiter der Beratungsstelle "ProMann" in Magdeburg.
Wie der Experte berichtet, ist es oft schwer, einen Femizid vorauszusehen. "Viele Täter haben ihre Frauen vorher schon bedroht oder geschlagen, die Tötung kommt aber überraschend. Vor allem gefährdet sind Frauen in den sechs Monaten nach einer Trennung", so Lindner.
Der Bezug einer eigenen Wohnung oder eine neue Partnerschaft unterstreiche dann die vermeintliche Erniedrigung und Kränkung des Täters.
Justiz will Strafmaß für Taten aus Frauenhass verschärfen
In einigen lateinamerikanischen Ländern ist der Femizid bereits ein eigener Straftatbestand, auch in Deutschland wird das bereits aus einigen Ecken gefordert.
Justizminister Marco Buschmann (45, FDP) möchte beispielsweise den Mord-Paragrafen im Strafgesetzbuch verschärfen.
Liegen zum Beispiel rassistische, antisemitische oder anderen Beweggründe vor, kann eine härtere Strafe zur Anwendung kommen - künftig sollen auch geschlechtsspezifische Gründe wie Homophobie, Transfeindlichkeit oder eben Frauenhass diese Liste ergänzen.
Eine härtere Strafe wird einen Femizid aber nicht verhindern, weiß Professorin Doktor Katharina Beckemper.
"Das schärft zwar unser Bewusstsein für eine solche Tat. Was wir brauchen, sind aber Gewaltschutzprogramme, Prävention, mehr Ressourcen für Frauenhäuser und eine bessere Vernetzung zwischen den einzelnen Institutionen", so die Leipziger Juristin.
Die ganze Folge von "Kripo Live" zum Thema Femizid findet Ihr in der MDR-Mediathek.
Titelfoto: Sebastian Willnow/dpa-Zentralbild/dpa